Der Weg von Derinkuyu nach Ihlara bietet spektakuläre Ausblicke, insbesondere deshalb, weil schwere schwarze Schneewolken unseren Weg stetig begleiten und die anfangs spärlichen Schneehäufchen am Straßenrand werden zu bis zu 30cm hohen Schneetürmen rechts und links unseres Weges. Unsere Straße aber ist nicht nur geräumt, sondern auch beinahe trocken. Keine Ahnung, wie die Türken das hinbekommen haben, die Berliner Stadtreinigung könnte sich da sicher den einen oder anderen Rat abholen. Die ringsum liegenden Berge tragen allesamt weiße Kuppen. Kurz bevor wir in Ihlara ankommen überqueren wir noch einen kleinen Bergkamm und dahinter weicht die Schneelandschaft urplötzlich der winterlichen Steppenlandschaft der Hochebene.
Das Dorf Ihlara, nach dem der berühmte Canyon benannt ist, wird im Reiseführer nicht erwähnt, hätte aber wie wir finden einen kleinen Stern als besonders pittoresk verdient. Es liegt am Ausgang der Schlucht, durch die sich ein kristallklarer Fluss in einem weiten mit weißen Kieseln durchzogenen Bachbett schlängelt. Die Schlucht mündet in einen kleinen Dorfplatz um den sich Markt, Metzger, Restaurant, Pernsion und Teestube gruppieren. Etwa gleich viele alte Steinhäuser wie moderne verputzte Häuser liegen verstreut am steil ansteigenden Hang. Wie so oft in der ländlichen Türkei sind nur etwa die Hälfte der Häuser bewohnt, aber mitnichten nur die modernen. Auch in den alten Steinhäusern ist hier und da noch Leben, der Zustand von Dach, Zäunen und Mauerwerk lassen dies auf den ersten Blick nicht vermuten.
Dass der Canyon direkt auf den Dorfplatz führt, steht zwar im Führer, allein wir fanden den Ausgang erst auf dem Rückweg. Wir lassen den Maggi auf dem Dorfplatz stehen, und folgen der Beschilderung. Aber nachdem wir 2 Kilometer an einer hässlichen Straße entlang gelaufen sind, fange ich langsam an zu fluchen. Nach 3 Kilometern, kurz bevor ich richtig schlechte Laune bekomme, taucht ein riesiger leerer Parkplatz auf und ein winzig kleiner Fußweg, der zum Eingang des Canyons führt.
Wir steigen viele Holzstufen hinab bis zum Grund des Canyons und besichtigen dort die vorerst hoffentlich letzten Kirchen dieser Reise. Die Schlucht ist wunderschön, zu beiden Seiten des Flusses verläuft ein naturbelassener Wanderweg, gesäumt von Pappeln und Olivenbäumen. Ab und an kommt ein Ziegenhirt mit seiner Herde vorbei und auf halbem Weg sind wir Gast in einem liebevoll gestalteten Ausflugslokal. Kleine Holzterassen mit Liegen im orientalischen Stil direkt am und über dem Fluß laden zum Verweilen ein. Zwischen den Tischen läuft quakend eine Gänsefamilie herum und es gibt frisch gepressten Granatapfelsaft.
Robert sieht auf etwa 7 Meter Höhe ein Fenster in einer der Wände und seine Neugier treibt ihn zu Höchstleistungen an. Wir suchen und finden zu Füßen des Fensters in den Fels gehauene mehrstöckige Höhlen, allein die Treppen sind nicht mehr existent, nur ein Loch in der Decke des Erdgeschosses gibt den Blick auf den nächsten Stock preis und dort auch auf eine kleine Wendeltreppe die weiter empor führt. Es dauert eine ganze Weile bis Robert genügend Steine aufeinander geschichtet hat, um sich in den ersten Stock emporhangeln zu können, aber letztlich gelingt es ihm. Ein wenig stolz und ziemlich fröhlich winkt er kurz darauf aus dem Fenster heraus.
Alle Nase lang steigen wir eine Holztreppe zu einer der in den Canyon gehauenen Kirchen empor. Manche sind gut erhalten inklusive bunter Fresken, die die immer gleichen Stationen aus dem Leben Jesu darstellen (Geburt, 3Könige, Kanaa (Bin nicht ganz sicher, warum???), Einritt nach Jerusalem, Zacharias auf dem Baum, Letztes Abendmahl, Versuchung Jesu, Judas Verrat auf dem Ölberg, Kreuzigung, Auferstehung Lazarus, Himmelfahrt) und schön verzierter Rundbögen. Teilweise sind sogar noch zwei Stöcke begehbar. Oft finden wir die Darstellung des Malteser Kreuzes, wissen aber nicht mehr, was es mit den Maltesern auf sich hatte. Vielleicht kann uns einE geneigteR LeserIn mit weiterem Wissen aushelfen? Bis zum Einbruch der Dämmerung durchforsten wir jedes Kirchlein, dann machen wir uns strammen Schrittes entlang des Canyons auf den Weg zurück ins Dorf (der Cafebesitzer wusste zu berichten, dass es auch dort einen Ausgang gibt). Wie wunderschön dieser Weg entlang der flacher werdenden Felswände ist. DAs Tal weitet sich und mit ihm wird das Flußbett breiter. Welch beeindruckende Großzügigkeit diese Landschaft ausstrahlt und wie friedlich sie dennoch daliegt. Zusammen mit den Ziegenhirten, die ihre Herden nach HAuse treiben folgen wir im letzten Tageslicht den kleinen Ziegenpfaden und stehen schliesslich fast genau vorm Maggi am Dorfplatz. Hätten wir mal genauer geschaut, anstatt uns durch die für Bustouristen angebrachten Wegweiser in die Irre führen zu lassen.
Was für ein schöner Tag das war!