Am Abend wird es empfindlich kalt, um die 0 Grad. Macht nix, wir haben ja Heizung, das sitzen wir aus, denken wir. 5 Minuten später fliegt die Sicherung der Heizung durch und von da an sitzen wir im Kalten. Macht nix, denken wir, es wird schon wieder wärmer werden und gehen zu Bett. Aber weit gefehlt. Heldenhaft schält sich Robert am nächsten Morgen aus dem Bett, stellt beim Teekochen fest, dass statt Kondensattropfen heute Eiszapfen an der Maggidecke hängen und wirft sich seinen Ledermantel über, den er später noch festgurtet, damit es nicht zieht. Aber auch das hilft nichts, es wird ihm kalt und nur ein kleines Tänzchen vor dem Fotoapparat hält die Füße warm, die mittlerweile nach Londoner Vorbild in Socken stecken und die wiederum in Badelatschen. Am Ende hilft auch das nicht mehr und er springt mit Mütze und Ledermantel bekleidet zurück unter die Decke und zu mir ins Bett und trinkt warmen Tee.
Trotz der Kälte machen wir uns auf den Weg nach Göreme, wo in einem Freilichtmuseum besonders schöne Kirchenräume erhalten und gezeigt werden und das zum Weltkulturerbe ernannt wurde. Da wir von unserer schönen Plattform aus nicht erst zurück nach Uchisar laufen wollen, um den Einstieg in den Wanderweg durch das so genannte Taubental nach Göreme zu finden, versuchen wir auf anderem Weg herab zu kommen. Wir suchen lange, aber alle vermuteten Abstiege enden irgendwann an einer schroffen Felswand und an einer Stelle komme ich nur noch mit Roberts Hilfe wieder herauf aus einer der Sackgassen. Ich war so sicher, dass es hier weitergeht! Aber irgendwann finden wir dann doch noch einen Abstieg und wandern staunend durch das Tal.
Ich fühle mich wie Alice im Wunderland, als hätte ich vom falschen Pilz gekostet. Überall wachsen bizarre Formen aus den Felsen, zwischen denen Winternackte kahle Bäume und graurotes Wüstengestrüpp emporragen. In jedem zweiten Feenkamin sitzt ein Fenster oder eine Tür und viele bilden die Basis für steinerne Anbauten, teils in Benutzung.
In Göreme selber erfasst uns das Grausen. Aus dem eher beschaulichen anatolischen Dorf, das ich vor 15 Jahren besuchte, ist ein Rucksackreisenden Mekka geworden. Der Tourismus beherrscht das Straßenbild. Von der Quadvermietung über die unvermeidliche Backpackerinheits-GoaMode bis hin zum Souvenirshop, in dem Feenkamine aus rosa lasiertem Ton feilgeboten werden, ist alles dabei.
Kein Haus, das nicht als Pension, Shop oder Restaurant genutzt wird und dazwischen eine Schar Pauschalreisender in Individualreisenden-Outfit. Manchmal frage ich mich, ob der Lonely Planet der Welt nicht erspart geblieben sein könnte und wünsche mir Menschen wie mich auf den Mond, die immer erzählen müssen, wo es besonders schön ist, bis eben irgendwelche Reiseveranstalter davon Wind bekommen und es dann bald nicht mehr besonders schön ist, weil Horden von Busreisenden sich über die Orte ergießen und jeden Ansatz nachhaltigen Reisens binnen kürzester Zeit zunichte machen.
Da war sie wieder die Gentrifizierungsdebatte, hier nochmal vor anderem Hintergrund.
Ich erspare Euch weiteres Gezeter darüber. Genießt die wunderschönen Bilder!
Wenn man übrigens auf dem 2. Bild ganz genau hinschaut, kann man den Maggi entdecken, wie er da über dem Tal auf seiner Plattform thront. Nur wenig später beginnt es in Strömen zu Regnen. Wir entfliehen dem Regen und lassen uns mit dem Taxi den Berg hinauf zum Maggi bringen. Noch während wir unsere nassen Sachen wechseln schlägt das Wetter um und dicke Schneeflocken ziehen am Maggifenster vorbei.
Macht nix, denken wir, es hört schon wieder auf zu schneien. Aber das ist ein Irrtum. Als es zwei Stunden später immer noch schneit und der Boden schon unter einer 10cm dicken weißen Schicht verschwunden ist, beschliessen wir, dem drohenden Verkehrschaos zu entfliehen und die ebenso steile wie kurvige Straße nach Uchisar zurück zu nehmen, bevor der erste durchgeknallte Busfahrer mit seinem Fahrzeug die Straße blockiert und ein Entkommen unmöglich macht. Gerade so schafft es der Maggi rutschend auf die Straße, dann pflügen wir im 2. Gang mit 15 kmh den Berg hinauf und atmen auf als wir heil oben angekommen sind. Von hier aus wird es leichter. Wir biegen auf die Hauptstraße ein und haben die schneebedeckte Straße bald ganz für uns alleine.
Eigentlich wollten wir noch die Schlucht von Zelve besichtigen, aber unter diesen Witterungsbedingungen setzen wir die Fahrt doch lieber Richtung Süden fort.