Türkei – Uzuncaburc

Die Bergfahrt nach Silifke war so großartig, dass wir uns vom Mittelmeer nochmals aufmachen. Wir fahren einige Kilometer den Weg zurück, den wir gekommen sind und biegen dann nach Uzuncaburc ab. Nach einer kleinen Berg- und Talfahrt, wie wir sie in der Türkei nun schon so oft erlebt haben, laden wir wieder einmal in einer abgeschiedenen Gegend.

Das Dorf Uzuncaburc, das wir wegen der Ausgrabung einer alten römischen Stadt gewählt hatten, ist umgeben von Pinienwäldern und besteht aus teils bewohnten teils verlassenen Steinhäusern, die sich weit verstreut an den Berg schmiegen. Die Ruinen der alten Stadt liegen inmitten des Dorfes, Schafe und Ziegen, eine Katzenfamilie und mehrere wilde Hunde leben gemeinsam mit den wenigen Menschen im alten Stadtzentrum auf und im Theater. Granatapfel-, Orangen- und Olivenfelder nutzen die alte  Stadtmauer als Begrenzung und in der roten satten Erde um den alten Wachturm herum werden Weintrauben angebaut. Anders als in Deutschland werden die Stöcke hier nicht hochgebunden, sondern wuchern nah am Boden. Es entsteht kein Wein aus diesen Trauben, sondern eine Art süßlich-zäher aber sehr leckerer Traubensirup und Rosinen.
Das erzählt uns der Museumswärter, der im Kellerzimmer des Hauses neben der Moschee untergebracht ist, und sein karges Zimmer um den Teeofen herum gebaut hat, bei einem Tee und einem Teller sehr leckerer Gemüsesuppe. Auf Deutsch selbstverständlich, denn er lernt Deutsch und hat eigens einen Satelliten mit deutschem Fernsehen bestellt. Stolz führt er uns das Programm vor, darunter auch das ARD Vorabendprogramm, in dem irgendein Fernsehkoch irgendein aufgeregtes Gericht zubereitet. DAs kommt uns nicht nur wie aus einer fernen Welt vor, sondern auch vollkommen überflüssig.

Eben dieser Museumswärter ist es auch, der uns erlaubt, direkt über der obersten Sitzreihe des beinahe vollständig erhaltenen Theaters zu übernachten. Bei Vollmond und Sternenhimmel genießen wir den Blick aufs taghell erleuchtete Rund ebenso wie am nächsten Tag beim Frühstück. Der Hauptweg der Museumsstadt unter offenem Himmel führt zu weiteren Häusern des Dorfes und nachdem wir staunend das riesige Stadttor in Augenschein genommen haben, lassen wir uns gerne von einem älteren Herrn für ein paar Kurus Granatäpfel aus seinem Garten verkaufen, die  er in seinem Schuppen lagert. Wie meistens steckt er zusätzlich noch etwas in die Tüte, in diesem Fall sind es ein paar kleine sehr leckere Äpfel.

Am frühen Nachmittag des nächsten Tages machen wir aus dem Tempel- und Verwaltungsbezirk auf. Wir halten kurz am 20 Meter hohen Wachturm, wundern uns, ob wirklich Römer diesen eigenartigen Klotz erbaut haben sollen und biegen dann in Richtung Aquädukt ab, wohin uns ein verwittertes Schild den Weg weist. Wir durchwandern ein Tal, in dem  zwei weitere winzige Dörfer liegen. Auf roter Erde wachsen Weinstöcke, oder vielmehr Traubenstöcke.
Aus irgendeinem Grund sind die zwischen den Feldern wachsenden kargen Winterbäume ganz mit türkiser Farbe begesprüht worden. Zusammen mit der umgebenden felsig-kargen Berglandschaft, der klaren Luft, und der Stille stellt sich ein mythisch-erhabenes Gefühl ein. Die Jahrtausende beginnen sich aufzulösen und wir fühlen uns wie römische Philosophen, die durch die mediterrane Landschaft flanieren und sich in Rhetorik üben. Fehlt nur noch die Tunika. Alles ist richtig an diesem Tag.

Die letzten Meter zum Aqäudukt weist uns ein Schäfer, der bei einer Zigarette in der Sonne auf das eintreffen seiner Herde wartet. Auch wenn die Sonne sehr schönt wärmt, die Tage sind kurz, denn auch hier ist die Winterzeit angebrochen und als wir schliesslich ankommen, ist die Abenddämmerung bereits angebrochen. Durch einen der verbliebenen hohen Bögen der alten Wasserversorgung betreten wir einen Canyon, der sich beinahe ganz um eine kleine Erhebung windet. Kein Fluß fließt hier mehr, aber der Weg ist steinig wie ein altes Flußtal. Zu beiden Seiten erheben sich geröllige Abhänge, in die Nekropolen gehauen sind.

Auf dem Weg zurück debattieren wir einmal mehr über Sinn und Unsinn von moderner Büro-Arbeit und ob die zunahme der Kommunikationswege den Arbeitsfluss wirklich verbessert haben. Wie immer kommen wir zu keinem eindeutigen Ergebnis.

Ein Kommentar zu „Türkei – Uzuncaburc

  1. Ich bin froh von Euch zu hören. Ohne diesen modernen Kommunikationsweg hätte es keine Möglichkeit gegeben.
    Prinzipiell können andere mithören, aber früher auf dem Dorf oder auch in den Hochhäusern hat der, der mithören wollte auch schon immer Wege gefunden.

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