Wir versuchen dem Regen davonzufahren. Der Abschnitt der Küstenstraße auf dem wir uns jetzt bewegen ist der Schwarzmeerstraße ähnlich. Eben noch windet sich die Straße durch ein tiefes Tal, wenig später sind wir wieder um mehrere hundert Meter nach oben geklettert und sehen das Meer nur noch aus der Ferne. Nach einigen Kilometern beginnt es wieder zu regnen. Der Regen wird von heftigen Windböen über die Straße getrieben und für einige Zeit sieht man quasi die Hand nicht mehr vor Augen. Im Schneckentempo schleichen wir über eine Anhöhe, als es plötzlich pfeift. Kurz darauf geht die Batteriewarnleuchte im Maggi an. Irgendetwas stimmt nicht. Bei der nächsten Gelegenheit halten wir an, Robert steigt aus und nimmt den Maggi in Augenschein. Kurz darauf kommt er zurück und verkündet, dass wir beide Keilriemen der Lichtmaschine verloren haben.
Das heißt, ab sofort wird die Batterie nicht mehr aufgeladen. Wir können zwar vorerst weiterfahren, aber wenn wir den Motor abstellen und den Maggi neu starten müssen, wird die Batterie entladen bis sie irgendwann leer ist und im schlimmsten Fall auch kaputt gehen könnte. Und natürlich können wir so nicht im Dunklen fahren, denn wir haben kein Licht. Es besteht also dringender Handlungsbedarf. Leider befinden wir uns genau auf der Strecke der Küste, wo nur wenige Menschen leben, die nächste Stadt ist mehr als hundert Kilometer entfernt.
Wir fahren noch etwa 40 Kilometer bevor wir auf einem künstlichen Plateau hoch über dem Meer zum Stehen kommen. Robert möchte ausprobieren, ob er den Schaden selber reparieren kann. Für heute ist es allerdings schon zu dunkel dafür und einen Anruf bei Jakob später sind wir sicher, dass erstmal nichts weiter passieren kann und der Maggi wohl wieder anspringen wird, weil die Batterie voll ist. Wir stellen trotzdem alle Verbraucher auch der Innenbatterien aus und benutzen die Petroleumlampe. Sicher ist sicher.
Sami verschwindet im Tal und trägt Holz herbei und schon bald flackert ein kleines Feuerchen. Noch vor dem Keilriemenriss hatte Sami alle Zutaten zu seiner „Tomatenpasta ohne Pasta“ besorgt und beginnt nun munter in der Küche zu werkeln. Das Ergebnis ist wirklich sehr lecker, nur Big City Life können wir langsam wirklich nicht mehr hören.
Später setzen wir uns ans Feuer bis der Himmel seine Tore öffnet und den Rest des Unwetters auf uns herabregnen lässt. Am nächsten Morgen werden wir mit strahlendem Sonnenschein belohnt und gehen nach dem Frühstück jeder unseren Tagesaufgaben nach. Ich gehe auf Wassersuche und finde mit Samis Hilfe einen kleinen Bergbach, an dem wir die Kanister vollmachen. Über den Schultern am Wanderstock baumelt links und rechts ein 10 Liter Kanister. Darunter stecke ich und keuche den Berg hinauf.
Robert hat derweil das passende Werkzeug gefunden. Leider muss man um die Keilriemen der Lichtmaschine zu erneuern, vorher die davorliegenden Riemen, die zum Kompressor gehören, entfernen. Dafür wiederum muss man deren Spannbleche lösen. Uiuiui, diese Schrauben hat wohl seit längerer Zeit niemand mehr gelöst. Das Projekt nimmt beinahe den ganzen Tag in Anspruch, aber rechtzeitig zur Abenddämmerung ist es volbracht. Mit einiger Spannung startet Robert den Maggi und siehe da, alle vier neuen Riemen laufen einwandfrei. Nun ist er – zurecht – ein wenig erleichtert, mächtig froh und nicht wenig stolz, dass er die Reparatur alleine hinbekommen hat.
Sami sammelt weiteres Holz im Tal, ich helfe ihm. Dabei entdecken wir ein verlassenes Anwesen, das sich in einem winzigen Tal befindet und dessen Gebäude wortwörtlich aus den Hängen herauswachsen. Die Hinterwände von Ställen und Wohngebäuden sind aus Erde, die Häuschen mit den dicken Steinwänden, fast wie aus Adobe, darangebaut. Zu den Füßen der Häuser einige terassierte Felder, verwildert zwar, aber hie und da wächst noch ein Busch Kräuter, eine Aloe und mittendrin steht ein alter Walnussbaum. Ein idyllischer einladender Ort, der bei Bedarf schnell wieder hergerichtet wäre.
Warum er wohl verlassen wurde? Landflucht? Zu karg das Leben? Wir wissen es nicht.
Was Wunder, das Bier ist uns ausgegangen und Sami, der sonst den ganzen Tag raucht, hat schon seit gestern Abend keine Zigaretten mehr. Nicht nur deshalb brechen wir in der Dämmerung noch auf, obwohl das Spiel von Sonne und Wolken so faszinierend ist wie lange nicht mehr.