Das gelobte Land

30.05. – 19.06.2019

Elfenbeinküste, das gelobte Land! Abgekämpft von der zweitägigen Stempeljagd an der Grenze erreichen wir nach über 100km Buckelpiste die Asphaltstraße. Siehe da, sie ist nagelneu ohne ein einziges Schlagloch und trägt uns wie im Flug nach Man, das sehr malerisch zwischen grün bewachsenen Hügeln liegt. Wir quartieren uns im Zentrum Bethanien ein, nach Conakry und Nzerekore nun schon die dritte katholische Oase inmitten von muslimischem Chaos. Alles ist grün, die Anlage malerisch gelegen mit Blick auf die umgebenden Berge. Es gibt fließendes Wasser, eine funktionierende Dusche, Strom rund um die Uhr und einen Waschservice mit einer echten Waschmaschine. Jeden Tag wird die Anlage gesäubert und auf Wunsch kann man vor Ort Abendessen. Im Kühlschrank an der Rezeption lagert kaltes Bier und es gibt Rotwein. Aus Frankreich. Nach den vielen Wochen ohne all diese europäischen Selbstverständlichkeiten fühlen wir uns hier schon ein wenig wie im Paradies.

Die Stadt Man selber ist leider alles andere als das gelobte Land. Unsere Blütenträume von Pizza zerbrechen schneller als wir schauen können. Die Regenzeit hat gerade erst begonnen, aber da die Kanäle der Straßen voller Müll liegen, kann das Wasser nicht ablaufen und bildet zusammen mit der roten Erde schlickrigen Schleim, der wiederum von den Bewohnern mit weiterem Müll garniert wird, was Hühner und Schweine anzieht, die dann wiederum…..Direkt neben diesen stinkenden Müllbergen sitzen die Männer des Viertels unterm Mangobaum und trinken gemütlich ihren Nachmittagstee. Naja, Ihr wisst ja, was wir davon halten.

Vom Bethanienhügel läuft man etwa 30 Minuten über rote Pisten in die Innenstadt, wo sich an zwei asphaltierten Hauptstraßen Geschäft an Geschäft reiht. Es gibt einen großen ständigen Markt, der wie so oft auf die Straße ragt und den Verkehr blockiert, unzählige Straßenstände mit Eiern, Schuhen, gebrauchten Kleidern, Handys, Tankstellen, Getränkehändler usw. Und – es gibt auch mehrere Supermärkte, die ausschließlich haltbare Lebensmittel und Badartikel verkaufen. Wie überall in Elfenbeinküste einen überteuerten, wahnsinnig gut sortierten und aufgeräumten libanesischen Markt, dann einen Cash Ivoire, der sich ungefähr wie Aldi in den 80er Jahren anfühlt und einen King Cash, in dem es aussieht wie in einem Schleckermarkt nach der Insolvenz. Allein, es ist kompliziert hier etwas zu kaufen, weil die Kassiererinnen kein Wechselgeld haben und stattdessen darauf bestehen, das fehlende Rückgeld mit kleinen Schokoladentafeln oder Bonbon auszugleichen. Wer sich auf das Spiel nicht einlassen möchte muss ja im Supermarkt nichts einkaufen und wird an der Kasse solange stehengelassen, bis er brummend die Schokoladen einsteckt.

Und dann gibt es doch noch Pizza. Robert hatte auf einem Flohmarkt in Marokko für ein paar Euro einen mobilen Alubacktopf erstanden. In dem wurde bereits sein 50. Geburtstagskuchen gebacken. Nun aber kommt er zu neuen Weihen. Aus frischen Tomaten Basilikum Öl Pfeffer und Salz ist schnell eine Sauce gezaubert, der Hefeteig ist dank Marokanischer Trockenhefe auch kein Problem und dazu haben Kenneth und Inga ein riesiges Stück Käse in einem der Märkte entdeckt. Niemals nie haben wir so leckere Pizza gegessen. Kann es mit jeder römischen aufnehmen, dünn und knusprig, scharf und saftig. Ein echtes Highlight nach den langen Wochen, in denen es Reis mit Mango, Reis mit Okra, Reis mit Tomaten oder auch mal nur Reis gab.

Die Gegend um Man hingegen ist fantastisch. Überall sattes frisches Grün, das mit der roten Erde zusammen angenehme Kontraste bildet. Die sanften Hügellandschaften erinnern an Mittelerde, jederzeit könnte ein Hobbit hervorspringen. Das Klima ist feuchtnass. Starke aber eher kurze Regenfälle kündigen die Regenzeit an, wir sind aber bislang meist trocken geblieben. Eigenartig ist dennoch wie unsere Körper auf das Klima reagieren. Wir schwitzen ohne uns zu bewegen, alle Kleidung aus Baumwolle ist binnen kürzester Zeit durchgeweicht und klebt an Bauch, Beinen und Armen. Duschen hilft ungefähr 5 Minuten, damach geht alles von vorne los. Nachts wachen wir mamchmal auf und liegen auf klammen Bettlaken, obwohl es bei 28 Grad deutlich kühler ist, als noch vor einigen Wochen in Guinea Bissau.Wir machen einige wunderschöne Wanderungen in die Umgebung, auf den Dent du Man, zu den beiden Wasserfällen und faulenzen ein bisschen im tropischgrünen Bethaniengarten.

Noch in Man erhalten wir Nachricht von den Blauen. Während wir Cote d Ivoire über das Landesinnere von Guinea erreicht haben, sind sie durch Sierra Leone und Liberia gefahren und kommen nun etwas weiter im Süden auch im gelobten Land an. Das ist vermutlich die letzte Chance, die beiden auf dem Weg nochmal zu treffen, bevor wir umkehren und sie sich auf dem Weg nach Südafrika in das Abenteuer Nigeria, Kamerun, Kongo stürzen. Also nichts wie los, ans Meer, Tan und Alex treffen. Wir fragen Inga und Kenneth was sie vorhaben und siehe da, noch einmal wählen wir die gleiche Route und nehmen sie weiter im Igl mit. Bald sind wir zu Sechst. Nur einmal übernachten wir auf dem Weg nach Süden an einem Flußufer, dann tuckern wir auch schon einen steilen Kiesmatschweg herunter zu einem kleinen einsamen und wunderschönen Strand, von dem aus Tan und Alex geschrieben haben.

Wir biegen um die letzte Ecke und erwarten gleich den Blauen zu sehen, aber was wir sehen ist: nichts. Wir finden ein paar Reifenspuren im Sand, ein wenig ausgeschaufelten Sand, wohl für die Hinterreifen, um den blauen Igl für die Übernachtung waagerecht zu stellen, aber sonst nichts. Kein Igl, keine Tan, kein Alex. Wir versuchen, uns die Enttäuschung nicht anmerken zu lassen und stattdessen den tollen Strand zu erkunden, aber so richtig klappt das nicht und die Verwunderung des ersten Tages weicht am zweiten Tag der Sorge. Was war passiert? Ein neuer Malariaanfall? Unfreundliche nächtliche Besucher? Auch auf unsere Messenger Nachrichten erhalten wir keine Reaktion. Als wir uns fast damit abgefunden haben und uns nach einem morgendlichen Schwimmausflug im Schatten gemütlich gemacht haben, hören wir sich nähernde Motorengeräusche. Wenige Minuten später taucht der Blaue am Strand auf. Heraus steigen guter Laune und völlig unversehrt Tan und Alex. Es wird ein Freudenfest mit Gin und Tonic und Pizza und Rühreiern und Schwimmen und Wellenspringen und in der Sonne liegen und frischen Kokosnüssen und ein paar lokalen Jugendlichen, die uns fest ins Herz geschlossen haben und bis tief in die Nacht mit uns Bon Arrivée singen und auf den Tischen trommeln. Und das alles trotz jetzt intensiver werdenden Regenfällen. Einen Abend lang regnet es viele Stunden lang ununterbrochen wie aus Kübeln.

Am nächsten Tag aber ist alles vorbei und der schönste Sonnenschein erwartet uns. Allein die Luftfeuchtigkeit bleibt stabil bei etwa 95%. Zum Vergleich: in der mauretanischen Wüste waren es oft nur 20%. Inga und Kenneth haben einen riesigen Fisch im Dorf gekauft, dem sie nun in unserer Außenküche zu Leibe rücken. Es wird ein sehr leckeres Fischmahl.Irgendwann beschließen wir weiterzufahren und weitere Strände zu erkunden. Ein letztes Mal steigen Inga und Kenneth zu, in Sassandra verlassen sie uns nach fast 3 Wochen gemeinsamer Reise. So viel sei verraten, es war nicht die letzte Begegnung mit ihnen auf dieser Reise. Herzlichen Dank für die tollen Wochen mit Euch, in denen uns nie die Gesprächsthemen ausgingen. Es war ein großer Spaß mit Euch unterwegs zu sein und wir wissen jetzt, dass man mit dem Igl mit nur wenig Umbauarbeit auch zu Viert unterwegs sein könnte. Wir sehen uns in Deutschland wieder, auf einem Konzert oder bei einer Messe für Foodsharing oder einfach nur zum Pizzaessen.Mit Tan und Alex geht es jetzt weiterin Richtung Abidjan.

Wir finden mehrere traumhafte Strände, auf die wir direkt auffahren können und die beiden Igl zwischen Lagune und Meer im Sand abstellen. Herrlich! Nach vielen Wochen auf der Straße genießen wir nun den Müßiggang am Strand. Laufen an der Wasserkante auf und ab, entdecken das Skatspielen neu, hören Musik und Hörbücher, schlafen lang und hören beim Aufwachen dem Meeresrauschen zu. Beginnen viel zu früh am Tag das Gin Tonic trinken und Robert wird zum temporären Kettenraucher. Ein Tag vergeht wie der andere und trotzdem wird es uns nie langweilig.

Wir entdecken die nächsten wunderschönen wilden Buchten, sehen mehrere Schlangen davonschleichen, laufen mit Thio den Strand entlang, quatschen ab und zu mit einem vorbeikommenden Fischer oder Kokosnussernter oder Reisfeldarbeiter oder Dorfbewohner und tun, was wir sonst niemals tun, nichts. Noch vor Wochen wären wir nach wenigen Stunden unruhig geworden und in hektische Betriebsamkeit ausgebrochen. Aber mittlerweile sind wir so entspannt und ruhig, dass uns die Ruhe recht ist und gut tut.

Nur die Route, die wir ausgesucht haben, um an der Küste lang nach Abidjan zu fahren, ist wieder einmal grauenhaft. Einstmals, also vor etwa 5 Jahren, als Asphaltstraße errichtet, besteht sie heute aus roten Schlammlöchern, an deren Rändern noch Reste von Teer herausragen. Sie ist breit, und fährt man hinter einem Wagen her, erleichtert das die Fahrt ungemei , weil man an den Kurven, die der andere fährt und der Tiefe des Eintauchens vorhersehen kann, wie schlimm die Löcher sind und im Zweifesfall eine andere Route durch das Schlaglochfeld versuchen kann.Schließlich fahren wir in Grand Lahou ein, wir überqueren eine langgezogene Brücke über die Lagune und erreichen das Meer. Allein, so traumhaft, fast karibisch, es hier aussieht, wir kommen hier nicht zum Stehen, finden einfach keinen Platz an der Lagune, der sich nicht entweder in Privatbesitz befindet oder von der Dorfgemeinschaft als Bootseinlasstelle oder Netztrocknungsort genutzt wird und geben die Suche schließlich nach fast 2 Stunden und einer lächerlichen Forderung von 15.000cfa, umgerechnet etwa 22€, für einen Stellplatz in einem verlassenen Hotelhof, auf. Langsam wird es dunkel und wir sind immer noch auf der Suche. Schließlich, als die Sonne schon fast untergegangen ist, finden wir doch noch einen Platz im Busch. Zwar ohne Wasserblick, aber immerhin auf rotem stabilem Kies, der uns auch nach einer Regennacht keine Schwierigkeiten beim Verlassen des Platzes bereiten wird.

Das war vermutlich das erste Mal seit Marokko, das wir so lange nach einem Stellplatz gesucht haben. Auch Tanja und Alex sagen, dass sie so lange noch nie gesucht haben. Vermutlich ist es die Nähe zu Abidjan und damit einhergehend die höhere Bevölkerungsdichte, sowie der größere Wohlstand der Hausbesitzer und Hotelbetreiber, der dazu führt, dass die schönen Orte alle in Privatbesitz sind oder intensiv durch die lokale Bevölkerung genutzt werden.Am nächsten Tag haken wir das Thema Grand Lahou dann eben ab. Eigentlich hatten wir gehofft, hier einen Ort zu finden, wo wir mehrere Wochen stehen können, um die Regenzeit abzupassen. Mittlerweile haben sich die Dinge aber ohnehin anders entwickelt als geplant, Ghana liegt aufgrund neuer temporärer Einfuhrbestimmungen für alte Autos wie unserem, nicht mehr auf unserer Reiseroute und die Federgummis im Igl sind dank schlechter Straßen mittlerweile so durchgenudelt, dass wir lieber heute als morgen eine Werkstatt in Abidjan besuchen möchten und so brechen wir gut gelaunt gen Abidjan auf. Auf dem Weg übernachten wir noch einmal an einem aussergewöhnlichen Ort, in Jacksonville, direkt am Meer in einer Kokospalmenplantage bei Vollmond. Sensationell.

Dann geht es in Richtung Abidjan. Angeblich die europäischste der westafrikanischen Großstädte.Im Hintergrund, wie eine Art Grundrauschen, machen wir uns Gedanken darüber, was werden wird, wenn wir wieder in Deutschland sind. Was uns dort wohl erwartet? Werden wir verändert sein? Wie werden wir mit unseren Freunden teilen können was wir erlebt haben? Welcher Arbeit werden wir nachgehen? Werden wir wieder in unsere Wohnung ziehen oder uns einen netten Stellplatz auf dem Land suchen? Wollen wir in Deutschland arbeiten oder für eine Weile im Ausland leben und arbeiten? Und vor Allem auch, wo soll die nächste Reise hingehen? Würden wir dann anders reisen?

2 Kommentare zu „Das gelobte Land

  1. Ein wenig war ich überrascht, dass ihr euch bereits Gedanken über die Zeit nach der Reise macht… Aber scheinbar ist es normal, das jetzt schon zu machen, sonst wären die Gedanken ja nicht da. Ich folge euren Berichten immer gern, merke aber auch, dass ich nie Lust auf dieses „tiefe“ Afrika verspürt habe und sich das beim Lesen nicht ändert. 😉 Für mich geht es Mitte November los – bis dahin harre ich im kalten Deutschland aus und warte auf den Einbau der Standheizung. Ohne diese, ist es schon recht frisch im Bus… Euch noch eine gute Weiterfahrt!

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