Über 1001 Düne in Mauretanien Teil I

21. Januar 2020 – 1. Februar 2020

Um Euch die Coronapanik ein wenig vergessen zu lassen, heute wieder mal ein Beitrag von uns. Da Ihr ja nun scheinbar fast alle erstmal ein paar Tage blau machen müsst, darf er bestimmt gerne etwas länger sein. Uns gehts übrigens prächtig. Wir sind derzeit in Marokko, das die Grenzen vor einigen Tagen dicht gemacht und alle Veranstaltungen abgesagt hat.

Wir haben uns für einige Wochen mit allem was wir brauchen eingedeckt und stehen derzeit an einer heißen Quelle in der Wüste bei 25-35 Grad und meist schönstem Sonnenschein. Passt bitte auf Euch auf in Deutschland und kauft oder streamt gute Musik, damit die fantastischen zeitgenössischen Musiker, die jetzt auch tatenlos zuhause sitzen müssen, ihre Gagenausfälle wenigstens ein wenig kompensieren können.

Am 21. Januar 2020 ging also nach 6 langen Wochen in Atar unsere Reise endlich weiter. Weil Edith im Bab Sahara uns so ans Herz gewachsen ist und uns mit ihrer guten Laune über so manchen langen Wartetag hinweg geholfen hat, haben wir sie gefragt, ob sie nicht zwei Tage blau machen und mit uns fahren möchte. Wollte sie gerne!

Wir wählen das Vallee Blanche als Ziel, weil es nah an Atar liegt und keine schweren Dünenpassagen hat. Denn so ganz vertrauen wir der Reparatur anfangs noch nicht. Kurz hinter der Abzweigung auf die Teerstraße nach Tidjikja geht die Piste links von der Nationalstraße nach Nouakchott ab. Wir biegen ein und fahren nicht mehr weit, bis wir unseren Schlafplatz für heute nacht entdecken und einfach um 15 Uhr mitten in der Wüste den Motor ausschalten und stehen bleiben.

Die erste Nacht in Freiheit. Die auffälligste Veränderung: Ruhe!

Keine frühmorgendlichen Allah Rufe aus der Moschee, kein Esel, der Nachts schreit, keine Wasserpumpe, die von eifrigen Schweizern in überdimensionierten Expeditionsmobilen morgens um 8 angeworfen wird. Keiner, der mit dem Kompressor den Wüstensand aus der Dachfuge bläst und vor Allem: keine guten Ratschläge von mitfühlenden, aber meist eher ahnungslosen Reisenden.

Morgens lassen wir uns Zeit und genießen die Weite, dann machen wir uns langsam auf. Wir folgen einem breiten teils sandigen, teils steinigen Tal, das eingefasst ist von Tafelbergen aus dunklem Stein, an die sich Sanddünen anschmiegen und an deren Fuß grüne Palmwedel ahnen lassen, dass hier zumindest einen Teil des Jahres über Wasser fließt.

Ja, und irgendwann wollen wir dann wissen, ob wir den Igl wirklich so überschätzt haben. Wir wollen den Tivoujarpass rauffahren, den Ihr am Ende des letzten Beitrags schon mal sehen konntet und Euch vermutlich fragt, ob wir da hochgekommen sind mit dem alten Igl.

So wie wir. Wir standen eine ganze Weile unten im Tal, haben uns dann zu Fuß ein Bild gemacht, uns an die deprimierende Testreihe in den Dünen vor Weihnachten erinnert – und es dann natürlich trotz aller Zweifel ausprobiert. Die Auffahrt ist ziemlich steil und hat einige sandige Stellen, aber an keiner Stelle ist der Sand so tief und weich, wie an unserer Testdüne. Muss also eigentlich gehen. Und geht auch! Wir jubeln.

Untersetzung rein und los gehts. Die Spannung steigt.
Scheint zu klappen?
Na also, geht doch, wussten wir doch schon immer!
Oben stehen ….
…und runterschauen. Fühlt sich gut an. Wir feiern.
So sieht das in unserem Navigationsprogramm aus.

Oben angekommen feiern wir mit Kaffee und Keksen diesen kleinen Erfolg. Ja, wissen wir. Sieht gar nicht so schlimm aus. Wars dann letztlich auch nicht. An keiner Stelle gab es Probleme. Das Kerlchen ist anstandslos hochgefahren und dabei nicht mal warm geworden.

Etwa 20 Kilometer fahren wir noch über das sandige Plateau, bis wir ein eingesandetes Oued erreichen, das wir uns als Übernachtungsplatz aussuchen. Und endlich endlich endlich können wir wieder Sterne gucken und Feuer machen und ohne die Fenster verhängen zu müssen schlafen und bei Morgengrauen von den ersten Lichtstrahlen geweckt werden. Thio genießt die wiedergewonnene Freiheit ebenso wie wir und rennt und schnufft den ganzen Abend im Oued herum. Robert kocht für uns alle drei Pasta mit Tomatensauce, macht Feuer und wir genießen den tollen Abend.



Nach drei Tagen Wüste, Sand, Dünen, Oued und Oasen wissen wir, dass die Reparatur gelungen ist. Wir bringen Edith zurück nach Atar, kaufen nochmal eine Runde ein und fahren Richtung Osten nach Chinguetti…..dachte ich jedenfalls. Aber Robert lässt die mißlungene Dünenabfahrt keine Ruhe und so ändern wir unseren Plan und steuern die Trauma-Düne wieder an. Nun aufgrund der letzten drei Tage, in denen der Igl alles gefahren ist was wir wollten, Düne hoch und Düne runter, schon wieder mit etwas größerer Zuversicht. Und wir wissen jetzt etwas, das wir letztes Mal noch nicht wussten: Selbst wenn wir die Auffahrt nicht wieder hinauf schaffen sollten, gibt es auch noch einen anderen Weg aus dem Tal, den wir bewältigen können. Den sind wir nämlich gerade erst mit Edith gefahren.

Also zurück zm Ort des Geschehens. Das hier ist der Blick vom höchsten Punkt der Düne ins Tal. Wir laufen die Strecke nochmals ab. Eine sanfte Auffahrt, die dürfte kein Problem sein. Dann eine kleine Dünenabfahrt über die weiche Seite. Das schaffen wir auch. Danach die erste Hürde. Eine nicht besonders steile, aber langgezogene Weichsandauffahrt. Hier sind wir nicht sicher, ob es klappt. Und dann zwei weitere Abfahrten über die weiche Seite. Eine kurze, aber steile und eine mittlere, steil, aber befahren, so dass der Sand an der befahrensten Stelle die Abfahrt bereits etwas abgeflacht hat. Die Schwierigkeit ist, dass man die Abfahrt nicht direkt anfahren kann, ohne vorher, bereits im weicheren Sand, in seitliche Schieflage zu geraten. Und Schieflage in einer Dünenabfahrt ist eigentlich immer schlecht wegen Kippgefahr. Sieht von oben auch ziemlich unheimlich aus, aber runter gehts ja bekanntlich immer.


Wir holen nochmal tief Luft, Allrad rein, Untersetzung dazu und los gehts. Und es funktioniert! Nicht nur irgendwie und gerade so mit Glück, sondern vollkommen problemlos. Vor der ersten kleinen Dünenabfahrt halten wir noch ziemlich die Luft und an vor Aufregung. Ich mache ein wahnsinnig unspektakuläres Video davon, weil das sieht einfach nach gar nichts aus und fühlt sich tatsächlich, wenn der Wagen einmal nach vorne gekippt ist, auch nach gar nichts an. Obwohl es bestimmt auch fünf oder sechs Meter Höhenunterschied sind, die der Igl da überwunden hat.

Dann folgt die lange Auffahrt und auch hier lohnt sich das posten der Fotos nicht, weil man denkt: ja, und? Und auch hier, keinerlei Probleme, obwohl der Igl sich hier durch den Tiefsand graben muss und wir beide den Unterschied zu unserer Traumadüne nicht erkennen können. Hier gehts also, 50 Meter weiter links nicht. Das soll einer verstehen.



Weil wir uns so freuen und der Blick von oben so fantastisch ist, bleiben wir einfach oben auf der Düne stehen und heben uns die Abfahrt für den kommenden Tag auf.


Die sah dann so aus.


Ihr ahnt es sicher schon: alles kein Problem. Auch hier sieht das alles ziemlich unspektakulär aus. Tatsächlich überwindet diese letzte Abfahrt aber immerhin um die 20-25 Höhenmeter, von unten sieht man nicht, dass es vorher bereits einige Meter runter ging. Im weiteren Verlauf haben wir noch viele dieser Abfahrten genommen. Steile und nicht so steile. Aber das eigentlich aufregende daran kann man auf den Fotos nicht zeigen. Nämlich der Moment, wenn der Wagen gefühlt vorne über die Kante kippt und man für einen kurzen Moment nicht mehr sehen kann, wohin man fährt und nur noch Himmel sieht.

Unten angekommen feiern wir mal wieder. Jetzt könnten wir eigentlich weiterfahren wie geplant, Richtung Chinguetti. Aber nun ist unser Ehrgeiz angestachelt. Schafft der Igl denn nun diese Auffahrt wegen der wir letztlich das ganze Dünenexperiment gemacht haben oder nicht? Wir fahren die sandige Piste an, die sich zwischen einer hohen Düne rechts und einer Felswand links, aus dem Tal zurück auf die rund 40 Meter höhere Zufahrt zur Düne windet. Wir laufen die nicht mal 800 Meter lange Strecke nochmals zu Fuß ab. Da gibt es zwei Passagen, die uns nach wie vor nicht geheuer sind. Tiefer Weichsand, deutliche Steigung und die Piste ist auch noch genau dort schräg, so dass man mit seitlicher Schieflage den Berg hochfahren muss. Dazu einige Bäume, die es zu umfahren gilt, wenn wir die Solarpaneele auf dem Dach nicht zerstören wollen.

Wieder sind wir beide skeptisch. Wieder ist es Robert, der sich zuerst ein Herz fasst und sagt, ich probiers jetzt aus. Und, fast schon langweilig jetzt, klappt natürlich. Problemlos. Jetzt will ich es auch wissen. Oben angekommen wechseln wir die Plätze. Und Schwupp-di-Wupp bin auch ich die Düne hoch und wieder runter und dann auch die eben noch unüberwindbar geglaubte Auffahrt hinauf wie der Wind.  Nur die steile Abfahrt lasse ich vorerst weg, das ist mir zu unheimlich.

Und was soll ich sagen? Das macht uns solchen Spaß, dass wir ein drittes Mal rauf-runter-rauf-fahren. Immer mit dem gleichen Ergebnis: Klappt problemlos. Nach dem dritten Mal reicht es uns dann aber und wir entscheiden nach Chinguetti….nein, immer noch nicht. Wir haben mittlerweile Nachricht von unseren Schweizer Freunden, dass sie anders als geplant nicht mehr aus Nouakchott zurückkommen um mit uns eine schöne Tour durch eben dieses Tal, in dem wir uns jetzt befinden, zu machen. Nachdem das Dünenexperiment aber heute so gut geklappt hat, trauen wir uns das auch alleine zu und beschließen, bis Aoujeft durch das breite Tal zu fahren, um dann nach einem kurzen Asphaltintermezzo über ein weitläufiges Plateau von Süden aus zum Krater Aouelloul zu fahren und dann, endlich, die von vielen als wunderschön, aber nicht ganz unkompliziert beschriebene Dünenstrecke nach Chinguetti zu nehmen. Gesagt, getan.

Nachdem wir anfangs noch durch bewohntes Gebiet und dann durch eine wunderschöne Oase fahren, wird es nach etwa 25 Kilometern dann  einsam und wir fahren einige Kilometer weit ganz alleine durch das breite Flußtal. Hier gibt es nur noch wenige Spuren, denen man folgen kann. Aber verirren kann man sich nicht, wir fahren ja immer durchs Tal.

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Bei Aoujeft tanken wir, bitten um einige Liter Wasser und kaufen Brot für die kommenden Tage ein, in denen wir wahrscheinlich kaum jemandem begegnen werden, geschweige denn einen Laden finden werden. Von Zeit zu Zeit haben wir auch schon selber Brot gebacken,  aber das mauritanische Brot ist lecker und günstig. Dann nehmen wir wie geplant die Asphaltstraße, um über einen Einstieg im nächsten Flußtal auf das Plateau in Richtung Aouelloul zu kommen. Allein. Da ist kein Einstieg. Und auch keine Piste. Wir vermuten, dass sich der Einstieg verschoben hat aufgrund der Bauarbeiten für die nagelneue Asphaltstraße und versuchen, uns über das Oued in die richtige Richtung durchzuschlagen, in der Hoffnung, irgendwann die Piste wieder zu erreichen.

Das funktioniert letztlich auch, aber die Piste ist ungepflegt und sehr steinig und die Leute im Dorf sagen uns, dass sie weiter östlich nicht mehr befahrbar ist, weil eine riesige Düne darüber gewachsen ist. Keine Chance, da durch zu kommen. Sie beschreiben uns aber eine Alternativroute nur wenige Kilometer weiter nördlich und die finden wir dann auch. Seit wir in Atar losgefahren sind und den Tivoujarpass bewältigt haben, ist Robert wieder etwas besser auf den Igl zu sprechen und nun fahren wir abwechselnd, jeder einen Tag. Man muss dann an dem Tag nehmen was man bekommt. Manchmal beneidet man den anderen dann für die spannende Strecke, manchmal ist man aber auch froh, mit einem Glas Minztee auf dem Beifahrersitz Platz zu nehmen. Heute ist Robert dran und ehrlich gesagt beneide ich ihn nicht, denn das Plateau ist steinig und unsere Geschwindigkeit deshalb mal wieder bei etwa 6,5 km/h angekommen. Der Umweg hat zudem Zeit gekostet, so dass wir diese Nacht auf dem Plateau kurz hinter einem fast verlassenen Dorf verbringen. Vielleicht wird es auch von Halbnomaden bewohnt, die den Sommer an der direkt unter dem Dorf liegenden Oase verbringen und jetzt im Winter mit ihren Tieren unterwegs sind.

Die drei im Dorf verbliebenen Männer jedenfalls lassen es sich nicht nehmen, uns am nächsten Morgen einen Besuch abzustatten. Nach einem kurzen aber herzlichen arabisch-französisch-handzeichen-gebenden Gespräch gehen sie zufrieden in ihr Dorf zurück. Nicht ohne uns nochmals genau erklärt zu haben, wie wir zum Krater Aouelloul kommen. Einer der Männer baut sogar aus Sand und Steinen den Geländeverlauf nach: über zwei Berge und durch zwei Täler. Auf jeden Fall am Kompass geradeaus und am Ende nochmals über einen Berg, erklärt er in schlechtem Französisch. Verstehen wir soweit, aber was meint er mit Kompass?  Egal, wir fahren los und siehe da, einige Kilometer später verstehen wir, was mit Kompass gemeint ist. Wir fahren wie angewiesen geradeaus, bahnen uns wenig später unseren Weg durch den Irrgarten eines großen Sicheldünenfelds, in dem ich dann leichtfertig fast steckenbleibe und schlagen schließlich unser Domizil auf dem Bergrücken des mittleren der drei zu querenden Berge auf. Wieder einmal sind wir verzückt ob der Vielfalt, die die Wüste zu bieten hat. Rot und weiß, die Piste sandverweht und kaum noch zu erkennen windet sich unsere Strecke durch mal steinige, mal felsige bizarre Landschaften. Mehrere Tage lang sehen und hören wir keine Menschenseele. Unvertraut und irgendwie archaisch.

Wenig später fluchen wir allerdings, da ein kleiner Wüstensturm uns heimsucht und es uns 48 Stunden lang schwer macht, das Auto verlassen, ohne die Tür aus der Hand gerissen und einen halben Sandkasten in die Augen zu bekommen. Sobald wir auch nur einen Spalt im Fenster öffnen, legt sich eine feine puderige Sandschicht auf alles im Wagen. Die wilde Eselherde draußen stört sich am stürmischen Treiben hingegen nicht. Sie grasen einfach gemütlich weiter.

 
Nur wenige Kilometer später sieht es schon wieder ganz anders aus. Kleine Tüpfeldünen aus roter Erde umflossen von weißen Salzkrusten prägen die Landschaft. Das ist so besonders, dass die Mauritanier auf dem Rücken dieser Kleinstdünen die Gräber ihrer lieben Verstorbenen angelegt haben. Wie immer, Grabstein gen Mekka.


Gegen Abend erreichen wir dann unser Etappenziel, den Krater Aouelloul. Ziemlich unspektakulär hat er doch einen entscheidenden Vorteil gegenüber unseren letzten Übernachtungsplätzen: er ist windgeschützt. Außer uns ist noch eine Berberfamilie zugegen, die den selten vorbeikommenden Touristen gerne Schmuck oder Teekannen verkaufen möchte. Und gegen Abend kommt noch ein Nomade mit seinen 6 oder 7 Dromedaren an – die hier übrigens auch Kamele heißen, obwohl sie nur einen Höcker haben – und übernachtet ebenfalls im Krater, der etwa 100 Meter im Durchmesser hat und dessen Krateraußernwände vielleicht 10-15 Meter hoch sind. Da wir neben dem einzigen Baum weit und breit stehen bekommen wir am nächsten Morgen Besuch.


Dann gehts weiter nach Chinguetti. Diesmal wirklich. Dazu mehr in Teil II.