16.12.19 – 20.1.20
Tag 17: 1.1.2020
Neujahr. Wir erwarten keine Neuigkeiten und erhalten auch keine.
Was noch passierte: Eva backt leckeren Neujahrskranz und wir unterhalten uns mit Isabelle und ihrem Mann, die gerade den neuen Grenzübergang Algerien Mauretanien genutzt haben und absolut begeistert sind von Algerien. Isabelle ist eine der wenigen Frauen, die die Paris Dakar mit dem Motorrad gefahren sind und diese auch beendet haben. Sie erzählt wenig davon, verweist aber auf das Buch, das sie darüber geschrieben hat. Und siehe da, ein Exemplar in deutscher und eines in französischer Sprache hatte sie in der Bab Sahara Bibliothek hinterlassen. Robert liest die deutsche Version. Ich knabbere mich durch den französischen Text.

Tag 18: 2.1. 2020
Heute soll es losgehen! Wir warten. Bis Nachmittags. Niemand meldet sich. Wir schreiben wieder Iglhaut an. Avisieren dass wir eine konkrete Kontaktperson haben in Nouakchott. Fragen, wo das Problem liegt. Bitten um ein Angebot.
Eine Stunde später erhalten wir die Nachricht, dass Rechnung und Ausfuhrerklärung erstellt wurden und am folgenden Tag die Ware beim Zoll vorgestellt und dann versandt werden soll.
Ich bin fassungslos. Seit 2 Wochen versuchen wir ein Angebot zu erhalten und gemeinsam eine Idee zu entwickeln wie wir den Mist schnellstmöglich und kostengünstig zu uns bringen können, aber nicht nur liegen die Teile nun bereits seit 10 Tagen in Bayern auf dem Schreibtisch herum, wir haben auch immer noch kein Angebot und keine Info zu den Versandkosten, möglichen Zollgebühren und möglichem Lieferort erhalten. Ich kann nicht mehr. Robert schreibt für mich die Antwort und bittet sehr freundlich gefühlt nun zum 5. Mal um ein Angebot etc.
Als Antwort erhält er eine kurze Email mit der Frage nach der Adresse des Hotels in Nouakchott. Ich schicke die Adresse rüber in der Hoffnung, bis zum nächsten Morgen zu erfahren, welcher Versandweg und welche Adresse gewählt wird. Ach ja, und das Angebot kommt bestimmt dann auch.
Anwesende Reisende erklären uns, dass es doch in Nouakchott gewiss Gelenkkreuze für einen alten Mercedesbus gibt. Wir lächeln leicht angespannt.
Tag 19: 3.1.2020
Morgens um 7 hatte Iglhaut versucht uns anzurufen. Da war es bei uns 6 und natürlich noch kein Telefon angeschaltet. Er hat dann später eine Email geschrieben, dass die Teile verschickt sind. Mit TNT. An das Hotel in Nouakchott. Ohne direkten Mobilkontakt. Ohne Ansprechpartner.
Um 8:23 erhalte ich eine Rechnung über knapp 580€ und eine Frachtbriefnummer von TNT. Wir sind überrascht. Im Internet hatten wir eins der Kreuze für 90€ das Stück gefunden, was für ein Gelenkkreuz bereits wahnsinnig teuer ist. Das Standardstück für den 310er gibt’s ab 20€.Auf der Rechnung steht jetzt inklusive Versand der doppelte Preis für die drei Teile.
Naja, jetzt sind sie wenigstens auf dem Weg. Sie sollen am 7.1. ankommen. Mit der Frachtbriefnummer kann man die Sendung online verfolgen. Machen wir natürlich. Um 15 Uhr verlässt das Paket Marktbreit in Bayern. Um 19Uhr meldet TNT, dass es Schwierigkeiten gibt mit dem Versand und der Absender kontaktiert wird.

Da es Freitag ist und in Deutschland 20 Uhr verschiebt sich vor unserem inneren Auge die Ankunftszeit der Kreuze um weitere Tage. Wir hatten gehofft, dass das Paket wie von TNT avisiert am 7.1. sozusagen als verspätetes Geburtstagsgeschenk ankommen würde. Vor dem 10.1. wird das jetzt nichts mehr, denn jetzt ist ja erstmal wieder Wochenende. Wir haben schlechte Laune.
Tag 20: 4.1.2020
Es ist mal wieder Wochenende. Rien ne va plus. Da wir ohnehin nichts beschleunigen können, chillen wir in der Hängematte und quatschen mit Edith, den Jungs vom Bab Sahara und den anderen Reisenden.
Wir lernen Stephan und Susan kennen, die in der italienischen Schweiz einen Selbstversorgerhof haben und auch mit Hund reisen. Wir verstehen uns gut. Kochen mehrere Tage zusammen. Tauschen Geschichten und – teilweise lautstark – politische Meinungen aus. Hören zusammen Musik und freuen uns von Stephan zu hören und auf Fotos zu sehen, was sein 2005er Sprinter so alles kann in den Dünen. Wir selber glauben nach einem ausgedehnten Dünentestszenario nicht mehr daran, dass der Igl auch nur kleine Dünen hinaufsteigen kann. Und bisher haben alle anderen Reisenden in ihren spezial ausgerüsteten Toyotas und teuren Allrad Lastwagen unseren alten Igl nur mitleidig angesehen.
Oft werden unter den Reisenden Informationen zum Zustand und der Fahrbarkeit von bestimmten Offroadpisten und Dünenstrecken ausgetauscht. Da werden digitale und papierene Karten ausgepackt, die Köpfe darüber gehangen und von wilden Abenteuerfahrten berichtet. Routen geplant, Übernachtungsplätze ausgetauscht und Fahrgemeinschaften gebildet. Sieht alles sehr beeindruckend aus. Wir haben ja bereits 5 Wochen im wunderschönen Süden verbracht, anders als die meisten Gäste hier, die gerade aus Marokko kommen und dort erst hinfahren. Wenn wir uns in die Diskussionen über die Nordrouten einschalten, ernten wir dennoch meist nur einen Nebensatz „ihr könnt das wahrscheinlich nicht fahren.“
Und da wir vor zwei Wochen in einem mehrstündigen Experiment tatsächlich eine aus unserer Sicht gar nicht mal so steile Dünenauffahrt partout nicht bezwingen konnten, glauben wir bald, was die anderen sagen und trösten uns damit, dass der Igl ja nie als Wüstenfahrzeug geplant war, sondern als Reisemobil. Und dass er diesen Job ja bestens erledigt.
Aber diese Dünenauffahrt. Tja. Wir wollten eigentlich nur mal eine Dünen-Abfahrt testen, aber nicht die ganze darauf folgende Piste befahren. Darum war es uns wichtig, dass wir die Abfahrt auch wieder hinaufkommen. Da es sich um eine sehr sandige steile und lange Wieder-Auffahrt handelt, haben wir uns eine ähnliche Stelle gesucht, an der wir den Igl testen können, ohne das Risiko einzugehen, im einsamen Tal festzusitzen und nicht wieder hochzukommen.


Wir probieren erstmal alle einfachen Methoden. Gerade und langsam mit der zusätzlichen Kraft aus dem Untersetzungsgetriebe anfahren, Automatik-Normalmodus, dann 3. Gang, 2.Gang, 1.Gang. Nichts geht. Auf halber Düne hängt der Igl einfach fest und bewegt sich nicht mehr. Also weiter. Luft aus den Reifen lassen. Runter bis auf 0,8bar. Das dürfte die Grenze des Machbaren sein. Neue Versuche beider Fahrer. Ohne Erfolg.
Vermutlich sind wir zu schwer. Die Last ist vielleicht zu weit hinten. Jetzt wollen wir es wissen. Wir beginnen sukzessive den Igl auszuräumen. Entlasten die Hinterachse damit um rund 250kg. Neue Versuche die Auffahrt zu bezwingen bringen kein neues Ergebnis.
Wir laden einen Teil des Gepäcks zwischen die Achsen. Vielleicht geht es um eine ausgeglichenere Lastverteilung. Nix. Keine Veränderung. Wir versuchen es nun noch im Rückwärtsgang, mit und ohne Anlauf. Mit und ohne Sperre. Mit Vollgas, mittlerem Gas und ganz sanft. Wir wählen eine Stelle links daneben, da unsere Spur von den vielen Versuchen nun schon sehr ausgefahren ist. Nichts. Wir bleiben immer wieder auf der gleichen Höhe stehen.

Schließlich geben wir entnervt auf. Das kann er wohl nicht der Igl. Vielleicht sind 100PS für die Last und die Aufgabe einfach zu wenig. Die Toyos haben in der Regel 130PS aufwärts. Wir ärgern uns. Wir haben deutlich mehr erwartet. Jeder, der einen solchen Wagen fährt lobt gerade seine Offroadtauglichkeit im Sand. Aber das hier. Das ist gar nichts. Frustriert räumen wir alles wieder ein und verbringen immerhin die Nacht in der wunderschönen Düne mit Ausblick ins Tal und auf die Berge.

Am nächsten Tag geht Eva mit einer Wasserwaage und Fotoapparat bewaffnet die besagte Auffahrt nochmals ab, misst die Steigungen, macht Fotos, schaut sich auch die lange Dünenauffahrt bzw. Abfahrt nochmals an und kommt zu dem Ergebnis, dass unsere Testdüne viel zu steil war. 15Grad im tiefsten Weichsand. Die fragliche lange Auffahrt hat maximal 10 Grad Steigung.


Trotzdem sind wir enttäuscht vom Igl und trauen uns alleine nun nicht, die Abfahrt zu nehmen, aus Sorge, die Wieder-Auffahrt trotzdem nicht zu bewältigen. Außerdem hat Robert beim Versuch Gewicht auf die Vorderachse zu geben, eine frische feuchte rosaweiße Lache am Diff entdeckt und bis zum Motorblock hoch verfolgt. Zum Fahrfrust kommt nun noch der Werkstattfrust. Wieder zum Mechaniker. Wieder dieses afrikanische nichts halbes nichts ganzes. Er hat die Zylinderkopfdichtung im Verdacht. Schließlich ist es aber nur die Wasserpumpe, die vom bereits oft erwähnten lokalen Mechaniker des Vertrauens tatsächlich schnell gefunden und routiniert ersetzt ist, aber den Preis dafür, den wollt ihr lieber nicht wissen.

Aber zurück zum Thema. Da wir mittlerweile schon seit fast 3 Wochen festhängen, haben wir andere Probleme zu lösen. 3 Wochen! So viel Urlaub am Stück habe ich als Angestellte niemals gehabt. Und jetzt warten wir die einfach mal eben so und versuchen uns die Tage zu vertreiben. Wir lesen. Hören Bücher. Viel Musik. Schlendern über den Markt. Gehen mit Thio spazieren. Spielen Badminton. Sortieren Fotos. Schreiben Nachrichten an Freunde. Reden viel mit den Menschen auf der Straße und im Bab Sahara. Jeden Tag ist es zwischen 25 und 30 Grad warm. Mal blitzblauer Himmel, mal Sandverhangen. Nachts kühlt es ab bis auf 10 Grad. Wir holen die Daunendecken raus.




Tag 21: 5.1.2020
Ich mache einen Screenshot von der TNT Meldung, dass das Paket nicht versandfähig ist, schicke diese an Iglhaut und frage, wo das Problem liegt. Es ist Sonntag, wir erwarten Antwort frühestens Morgen, aber da man bei Iglhaut ja früh anfängt, schreiben wir sicherheitshalber trotzdem heute.
Tag 22:6.1.2020
Wir warten auf ein Zeichen aus Bayern. Kommt keins.
Mittags verstehen wir, dass in Bayern heute Feiertag ist. Ankunft Paket damit nochmal verschoben. Vielleicht wird’s am 11.1. was. Vielleicht aber auch nicht.
Was noch geschah: ich habe heute Geburtstag. Robert backt Kuchen mit allen Rafinessen. Schokopulver, Aprikosen, Puderzucker. Lecker! Edith schenkt mir einen dicken Glückselefanten auf Seide und bunte Chinakracher und über den Tag hinweg melden sich alle lieben Freunde und Familie mit Glückwünschen. Ich bin trotzdem angespannt.
Denn wir haben auf Iglhaut vertraut und sitzen nun so lange hier fest, bis die Lieferung ankommt.


Tag 23: 7.1.2020
Seit 3. Januar liegt das Paket nun in Würzburg. „Nicht versandfähig. Wir nehmen Kontakt zum Absender auf.“
Nichts bewegt sich. Keine Antwort auf meine Frage nach dem Problem aus Bayern. Gegen 11 unserer Zeit ruft Robert für 2,39€ die Minute in Marktbreit an. Er bittet darum, sich mit TNT kurzzuschließen. Iglhaut sagt, sie sind schon dran, aber bei TNT gibt es nur eine Hotline, keinen direkten Ansprechpartner. Er warte auf Rückruf.
Ich flippe aus. Ich mache nichts mehr ohne direkte Durchwahl zu einem Verantwortlichen. Diese modernen Dienstleister stehlen meine Zeit. Und lassen sich diesen Diebstahl auch noch teuer bezahlen. Das geht jetzt seit Beginn der Reisevorbereitungen so. Jeder will sein Scherflein verdienen, ob Versicherung, Telefonanbieter, Krankenkasse, Lieferservice oder Ersatzteilbude. Überall wird gerne aufgeschlagen. Für Express. Für Ausland. Für Langzeitreise. Für ungewöhnliche Reiseländer. Für ungewöhnliche Reisemobile. Aber nichts geht wie versprochen. Und dann biste am anderen Ende der Welt und auf die Leute angewiesen und voll am A….. Niemand verantwortlich. Nirgendwo jemand direkt zu erreichen. Hotlines bis zum Erbrechen. Alle ignorieren geflissentlich, dass die versprochene Leistung nicht erbracht wurde. Keiner legt sich mal ins Zeug oder versucht gar mitzudenken. Zum Kotzen.
Mir fällt die gespeicherte Webseite mit den passenden 4×4 Traktorenkreuzen wieder ein, die nur nach Europa liefert. Das Teil scheint ja richtig zu sein, die Maße stimmen. Aber Lieferung nur nach Europa. Wie bekomme ich die Teile nach Mauretanien? Da fällt mir Just ein, der den einmal wöchentlich von Paris nach Atar gehenden Flug nehmen wird. Und zwar am 11. Januar. Ist ja quasi übermorgen. Dann könnten die Teile am Samstag Nachmittag hier sein und wir könnten endlich endlich weiter!
Da wir unser Visum ohnehin nochmal verlängern wollen, kann TNT dann so lange herummähren wie sie wollen, wir wollen ohnehin rund um Atar bleiben und kommen einfach nochmal zurück und holen die anderen Teile ab, wenn sie denn da sind. Irgendwann.
Ich renne zu Edith. Edith sag, kann Just nicht die Kreuze für uns mitbringen? Sie sind 10x10cm groß und wiegen vielleicht 1,5 kg. Oh, sagt Edith, gute Idee, aber das wird nichts werden. Just hat jetzt schon Übergewicht. Nur 1,5kg? Nein, geht leider nicht. Ich bin enttäuscht. Aber sagt sie, vielleicht weiß Kadi jemanden, der auch aus Paris mit der Maschine kommt. Kadi ist der lokale Manager für die Chartergesellschaft, die den wöchentlichen Flug anbietet. Er bietet auch Rundreisen für Touristen ins Adrargebirge rund um Atar an. Und er weiß, wer aus Paris kommt. Oh ja, Edith, bitte ruf ihn an. Gesagt getan. Und oh Wunder, Kadis Bruder lebt in Paris und kommt mit der Maschine am 11.1. Wunderbar! Er verständigt seinen Bruder, der einverstanden ist, unsere Teile mitzubringen. Ich jubele. Ein Lichtblick.
Flugs besuche ich wieder den Onlineshop mit den Traktorenkreuzen, will die Bestellung anlegen, aber – alle europäischen Länder sind zwar dort aufgelistet, aber im Scrolldownmenü kann ich Frankreich nicht auswählen. Na prima. Ich schreibe den Shop an – und erhalte innerhalb von 30 Minuten Antwort. Jetzt kann man Frankreich auswählen. Wunderbar!
Da wir nun schon Kontakt haben und die Bestellung speziell ist, will ich auf Nummer sicher gehen und schreibe was ich will direkt in die Email. Ich biete Vorkasse an und hoffe, dass ein ehrlicher Mensch auf der anderen Seite sitzt.
Nun geht alles schnell. Ich erhalte eine Bestellbestätigung mit Rechnung noch am gleichen Abend und überweise den Betrag sogleich. Bzw. Halt. Nein. ich möchte ihn gleich überweisen. Das Internet ist wegen Sandsturm aber heute so schlecht, dass mir mehrfach in dem Augenblick des Absendens der Sofort-Überweisung die Verbindung zusammenbricht. Am Ende ist mein Account gesperrt. Ich kann ihn telefonisch entsperren sagt die Webseite. Telefonisch über eine Hotline.
Grrr. 2,39 pro Minute und dann in die Hotline? Egal jetzt. Die Aussicht, die Lieferung am Samstag zu erhalten ist zu gut. Wenn ich morgen erst überweise, kann es schon zu spät sein, um das Paket auf die Reise von Norddeutschland rechtzeitig nach Paris zu bringen. Also versuche ich es. 23,90€ später gebe ich auf. Ohne Entsperrung. Ich schreibe eine Mitteilung an die Bank, die mich per Autoreply wissen lässt, dass sie das Konto binnen Stunden entsperren lässt, aber nur innerhalb der Geschäftszeiten Montag bis Freitag von 9 bis 18Uhr. Ich schaue auf die Uhr. 19.30. In Deutschland 20.30.
Was tun? Robert sagt, da musst Du wohl jemanden in Deutschland einschalten. Ich denke nach. Wer kann mal eben knapp 200€ überweisen und bekommt das auch heute noch als Echtzeitüberweisung und sicher fehlerlos hin? Wir gehen im Geiste alle Freunde und Bekannten durch. Dabei fällt uns wieder einmal auf, wie ausgelastet viele von ihnen im Alltag sind. So dass wir bei vielen nicht mal wagen, nachzufragen. Natürlich würden sie helfen. Aber es würde ihnen noch mehr Stress machen.
Am Ende beschließen wir, dass meine Mutter die souveränste Figur machen wird und sich nicht stressen lassen wird. Ich pinge sie über Telegram an und siehe da, sie antwortet und bekommt alles spielend hin. Mama ist die Beste! 1000 Dank, auf Dich ist echt Verlass!!!
Noch dazu münzt sie die Kreuze zum Geburtstagsgeschenk um und ruckzuck ist alles getan und ich sende die Überweisungsbestätigung zum Onlineshop. Der antwortet noch nachts um 21Uhr, dass alles gut ist und er am kommenden Tag den Versandauftrag gibt.
Hoppla. So kann es also auch gehen. Scheinbar ticken nur in Bayern die Uhren anders. Ok, war über die Feiertage. Aber wenn man Offroadfahrzeuge verkauft und einen internationalen Ersatzteilhandel anbietet, dann wäre ein Zeitfenster von 48Stunden zwischen Ware verfügbar haben und Versand irgendwie schlüssig. Stattdessen: 11Tage bis zum Versand und eine Ankunft der Dinger bei uns ist auch nach 15 Tagen dank TNT noch nicht abzusehen.
Tag 24: 8.1.2020
Es beginnt ein Kopf an Kopf Rennen zwischen DHL und TNT.
Iglhaut mit TNT: das Paket liegt seit 7:42h am Flughafen Charles de Gaulle

Agritek Paket mit DHL: In Dublin aus dem Lager geholt und auf den Weg geschickt.
Tag 25: 9.1.2020
Iglhaut mit TNT: das Paket liegt seit 8.1.2019 um 7:42h am Flughafen Charles de Gaulle
Agritek Paket mit DHL: Jetzt in UK!
Tag 26: 10.1.2020
Iglhaut mit TNT: das Paket liegt seit 8.1.2019 um 7:42h am Flughafen Charles de Gaulle
Paris-Krimi!
Agritek Paket: Über Nacht nach Paris verschifft.
12:43: Empfänger angeblich nicht zuhause! Behauptet DHL. Tatsächlich saß der Empfänger zuhause und hat gewartet. Herr Reimann von agritek reagiert wieder zuverlässig und schickt mir die digitale Benachrichtigung von DHL, wo das Paket abgelegt wurde. Ich renne zu Edith. Edith ruft Kadi an. Kadi informiert seinen Bruder. Ich schicke die Adresse per WhatsApp an den Bruder. Rufe ihn an. Er sagt: j ai le colis! Ich verstehe: ich hole das Paket! Ich sage: ich habe Dir die Adresse geschickt. Hast Du sie bekommen? Er sagt: J ai le colis! Ich sage, hast Du die Adresse?

So geht es hin und her, bis er schließlich auflegt und ein Foto schickt. Darauf zu sehen: seine Hand und unser Paket. Jetzt verstehe ich: er hat das Paket schon. DHL hat wohl auch in seinem Briefkasten eine Nachricht hinterlassen. Uff. Angekommen.
Ich schreibe an agritek. Alles gut, Paket ist angekommen! Und feiere innerlich! Für einen Moment fühlte ich mich mit Edith am Tisch sitzend wie kurz vor einer Groß-Veranstaltung. Zwei sitzen am Tisch, haben 5 Telefone vor sich und kommunizieren Informationen in Echtzeit über 2 Kontinente und 4 Länder hinweg. Und am Ende klappt dann alles. Irgendwie schön.
Tag 27: 11.1.2020
Iglhaut mit TNT: das Paket liegt seit 8.1.2019 um 7:42h am Flughafen Charles de Gaulle
Agritek: Siegessicher stehen wir auf, trinken Kaffee und machen uns bereit für die Übergabe des agritek Pakets durch Kadis Bruder am Flughafen. Wir haben überlegt, was wir ihm schenken könnten und uns dazu entschieden, ihm ein wenig schöne Musik auf einen USB Stick zu ziehen, ein Paket leckeren Tee aus Elfenbeinküste und eine First Class Hotel Seife aus Roberts Santo Domingo Baustellen Zeit zu schenken. Ist ja sowieso eher eine Geste als dass wir diesen riesigen Gefallen völlig fremden Menschen gegenüber, die wir für ihn sind, aufwiegen könnten.
Während wir Kaffee trinken erhalten wir von unseren lieben Schweizer Freunden Susan und Stephan, die heute ihr Visum am Flughafen verlängern wollen, die Nachricht, dass die Verlängerung spielend funktioniert hat und sogar direkt anschließend auf die Auslauffrist des alten Visums ausgestellt wurde. Das ist eine gute Nachricht! Wir hatten geplant, unser Visum erst am 15. Januar zu verlängern, damit uns die wertvollen Mauretanientage mit hoffentlich wieder fahrbereitem Igl nicht entgehen. Aber wenn das so ist, dass das Visum ohnehin dann auf 30 Tage ab 15.1. ausgestellt wird, auch wenn wir es heute verlängern lassen, dann nehmen wir das natürlich mit.
Gute Entscheidung. Das Verlängern dauert ungefähr 10 Minuten. Da wir hier schon einmal verlängert haben, sind unsere Daten, Foto und Fingerabdrücke bereits im System hinterlegt und es muss nur noch das Datum eingetragen werden. Drucker an, Foto auf den Visumskleber gedruckt, eingeklebt, 55€ pro Nase, fertig. Wenn doch alle Grenzformalitäten so reibungslos laufen könnten.

Wieder im Bab Sahara packen wir das wertvolle Paket wie ein Geschenk aus – und können unseren Augen nicht trauen. Verpackung und Lieferschein weisen falsche Maße aus. Wir können es nicht fassen. Eva kontrolliert die Bestellung. Die Rechnung. Alles richtig. Robert packt eins der Kreuze aus, misst es einmal, zweimal, dreimal. Aber es bleibt dabei, die Kreuze sind falsch. Nur ein ganz kleines bisschen falsch, aber definitiv: wir haben bestellt 28×71,5mm. Geliefert wurde 28,5×70,6mm. Das wird nicht passen.

Wir erinnern uns daran, dass Kadi sagt, selbst wenn die Kreuze nicht mit seinem Bruder kämen, weil DHL nicht rechtzeitig zugestellt hat, würde er noch eine Dame in Paris kennen, die am kommenden Samstag von Paris nach Atar fliegt. Wir schreiben Kadi an. Er kommt abends kurz vorbei, wir schildern das Problem und er klärt mit der Dame in Paris, dass sie die Kreuze in Empfang nehmen und mitbringen kann.
Wir machen Fotos von den falschen Kreuzen, Eva schreibt an agritek, der reagiert trotz Samstag wahnsinnig schnell und verspricht, die Kreuze erneut rauszuschicken, wenn wir ihm eine neue Adresse geben. Die schickt uns Kadi am Sonntag und wir leiten sie an agritek weiter. Um auf Nummer sicher zu gehen, buchen wir den Expressservice mit Zustellfenster und geben zusätzlich noch eine von der Dame benannte alternative Ablagestelle in ihrem Wohnhaus an.


Was noch passierte: Abends essen wir zusammen mit fast allen Reisenden im Bab Sahara und vielen Freunden von Just zusammen zu Abend. Ein Festessen! Mauretanisches Schaf gefüllt mit Couscous. Lecker! Alle freuen sich, dass Just wieder da ist. Und er sich glaube ich am meisten.
Tag 28: 12.1.2020
Heute fahren Peter und Karl-Heinz mit der lieben Hündin Ira endgültig Richtung Deutschland. Ich bitte Peter, die falschen Kreuze mitzunehmen und sie in Deutschland per Retourenschein an agritek zurückzuschicken. Macht er gerne. Danke, Peter!
Und: wir erhalten Nachricht, dass das Iglhaut Paket da ist und am Zoll ausgelöst werden kann. In Nouakchott. Meine Gedanken rasen. Wie machen wir das jetzt? Es fallen sicherlich Zollgebühren an, die wollen wir Abdou, unserem Freund aus dem Hotel in Nouakchott nicht zumuten. Aber wer kann die vermutlich rund 200€ sonst auslegen? Und wer erhält das Paket überhaupt ausgehändigt? Schließlich steht nur eine Versandadresse und kein konkreter Name und Kontakt darauf?
Ich sehe mich am kommenden Tag mit dem Bus nach Nouakchott fahren und mit mauretanischen Zollbeamten auf Französisch über unser Paket diskutieren. Als Frau hat man in muslimischen Ländern oft ganz schlechte Karten gehört zu werden. Ich seufze innerlich und richte mich auf das kleine Abenteuer ein. Suche mit Susans Hilfe den Zoll und den Flughafen, die Busstation und ein bezahlbares Hotel heraus. Susan sagt, kannst du ja alles machen. Aber frag doch mal Just, ob dem nicht eine bessere Lösung einfällt. Wird ja nicht das erste mal sein, dass jemand etwas aus Europa schicken lässt. Recht hat sie.
Robert geht schließlich los und fragt ihn und Just kann und will tatsächlich helfen. Und plötzlich wird alles ganz einfach. Er lässt sich von uns alle Versandunterlagen und die Rechnung geben, per WhatsApp natürlich, schickt alles weiter an einen Geschäftspartner in Nouakchott, der sich mit den Zollbestimmungen auskennt und der läuft am nächsten Tag wirklich los und versucht, das Paket freizubekommen. Ein Träumchen!
Was noch passierte:
Jeannette, Peters Frau, ließ uns über Peter einen Stein zukommen, den Thio jeden Tag 8 Stunden tragen soll, weil er entgiftet. Vielleicht bekommen wir Thio so wieder zum Fressen. Wir entscheiden schnell, das auszuprobieren. Schlimmer kanns davon nicht werden.
Tag 29:13.1.2020
Montag früh um 8 bekomme ich eine Nachricht von DHL, dass das neue Paket mit den Gelenkkreuzen unterwegs ist. Herzlichen Dank an Herrn Reimann, der wirklich fantastisch reagiert und sich persönlich reinhängt.
Was noch passierte: Am Nachmittag kamen vier Toyos aufs Gelände, davon drei mit Hund. Zwei der Hunde total verträglich, aber der dritte irgendwie unheimlich. Amerikanische Bulldogge. Thio ist hier auf dem Platz eigentlich fast immer an seiner langen Laufleine angehangen, weil er sonst Fluss, die Platzkatze und Lieblingsfreundin von Edith die Bäume heraufjagt und das einfach nicht lassen kann. Deshalb lassen wir ihn mit neuen Hunden kurz von der Leine, damit sie möglichst bald Kontakt schließen, um zu sehen, ob die sich verstehen. Was sie in der Regel tun. Mit den beiden kleineren Neuankömmlingen handhaben wir das auch so, gehen sogar zusammen in die Dünen zum spazieren.
Sowohl die Typen als auch den Hund aus den beiden anderen Wagen finden wir aber bisschen unheimlich und halten erstmal höflichen Abstand. Der Brummer hängt an der Leine, also sollte es keine Probleme geben. Beim Spaziergang erzählen uns die beiden anderen, dass die Bulldogge in Spanien einen Hund halb totgebissen hat. Angeblich weil der andere Hund immer wieder in der Nähe der dicken Bulldogge war. Grund genug, einen anderen Hund halb totzubeißen? Welchen Grund zu beißen gibt es überhaupt für einen Haushund, außer in Notwehr?
Später erzählen uns zwei andere Reisende, einer der beiden Männer habe sie gebeten, darauf zu achten, dass sich niemand dem Wagen mit dem Hund nähert, während sie kurz weg sind, damit nichts passiert. Aha.
Und abends dann, während Robert gerade die Vorbereitungen für die versprochene Tomatenpasta für Susan, Stephan und uns beide beginnt, knurrt Thio plötzlich unterm Igl durch. Robert steigt aus und sieht nur noch, wie die dicke Bulldogge um die Vorderseite vom Igl geschossen kommt und sich ohne Vorwarnung auf Thio wirft. Direkt mit dem offenen Fang in seine Kehle beißt. Der weiß gar nicht wie ihm geschieht. Von dem Überraschungsangriff völlig überrumpelt bleibt er einfach liegen, aber die Bulldogge lässt nicht ab.
Robert schreit. Ich schreie. Robert greift mit aller Kraft ins Halsband der Bulldogge und versucht, ihn von Thio wegzuziehen, er zieht und zerrt mit aller Kraft, bis er blutige Hände hat. Ich weiß nicht, was ich tun soll und hoffe nur, dass das Mistvieh Thio nicht tot beißt und Robert nicht angreift. Durch das Schreien aufgeschreckt laufen die anderen Gäste herbei und schließlich auch der Besitzer der Bulldogge. Thio liegt jetzt seit über einer Minute unter der Bulldogge und keiner weiß, wie fest das Tier zugebissen hat. Der Besitzer muss schließlich auch deutlich werden, damit sein Hund endlich loslässt und er ihn wegführen kann. Kurzfristig ist nur noch ein Knäuel aus den zwei Männern und den zwei Hunden zu sehen. Tisch und alles was darauf stand sind umgekippt. Robert ist außer sich, einerseits vor Wut, andererseits vor Sorge und Angst. Er ist schockiert. Er schimpft noch Stunden später. Er ist wütend.
Ich auch und auch ich stehe unter Schock, untersuche Thio auf Bisswunden, andere Gäste halten ihre Taschenlampen, damit ich besser sehen kann. Robert schreit den Besitzer der Bulldogge an. Der sagt, sein Hund sei angeleint gewesen. Ja. Bis er es eben nicht mehr war. Der behauptet, man habe die Hunde nur lassen sollen, die hätten das unter sich ausgemacht. Klar, rufe ich, das wäre sicher auch deine Reaktion, wenn ein fremder Kampfhund aus dem Nichts deinem Tier an den Hals geht. Der meint, wenn sein Hund dem Thio wirklich etwas hätte tun wollen, dann würde Thio nicht mehr leben. Das finden wir so zynisch, dass wir das Gespräch einstellen.
Robert bittet Edith darum, den beiden Typen zu sagen, dass sie das Bab Sahara am kommenden Tag verlassen sollen. Wir können ja nicht. Sie bejaht das und bittet die beiden darum, vorher anzurufen, falls sie wiederkommen wollen, denn das gehe nur, wenn wir nicht mehr da seien. Zu riskant das Trio aus – wie wir später erfahren – Kickboxern und Hund. Erstmals seit wir hier sind, finden wir Gäste wirklich unangenehm.
Unser schöner Abend zu Viert mit Susan und Stephan ist nach diesem Vorfall jedenfalls auch stark belastet. Er endet damit, dass Susan, Stephan und ich uns bis tief in die Nacht lautstark darüber streiten, in welcher Staats- und Organisationsform ein nachhaltiges Gesellschaftssystem ohne Kapitalismus entstehen könnte. Er ist für eine Experten-Republik. Ich für kollektiven Anarchismus. Wir gehen ohne Einigung ins Bett.
Tag 30: 14.1.2020
Stromausfall am Flughafen. TNT meldet die Übergabe des Pakets an den von uns ausgewählten Zollagenten, aber der kann das Paket noch nicht mitnehmen, weil der Zollschein nicht ausgedruckt werden kann.
Was ist schon ein Tag mehr oder weniger?
Tag 31: 15.1.2020
Das mit dem Zoll und dem Strom und dem Flughafen funzt immer noch nicht so richtig. Aber Justs Freund in Nouakchott bekommt das Paket trotzdem heute frei. Er hat eine Kaution hinterlegt bis zu dem Zeitpunkt, wo der Zoll die wirkliche Gebühr ermittelt hat. Deshalb hat er jetzt unsere Kreuzgelenke und schickt sie mit dem Mauretanien Express, der immer noch „nur“ der ganz normale Teissier Bus ist, der zweimal am Tag von Nouakchott nach Atar fährt, los.
Was für ein fantastisches, unbürokratisches System! Steckst was Du verschicken willst in irgendeinen alten Karton, schreibst mit dem Kuli Namen und Telefonnummer von Absender und Empfänger drauf und dann fährt das Paket für 2,50€ einfach 500km mit und liegt nach Ankunft an der Busstation, bis es abgeholt wird.
Keine Sendungsverfolgung nötig. Keine Hotline. Keine vergeblichen Zustellversuche. Kommt auf jeden Fall am gleichen Tag an. Jedenfalls falls der Bus nicht liegenbleibt. Kann man sagen, klar, die Strecken hier sind weit, aber es gibt nur ganz wenige Städte und die Bevölkerung ist klein, da klappt das natürlich. Bei uns hingegen ist alles viel komplexer, weil wir Europäer mehr sind, die Städte in der Regel deutlich größer als Atar und das Paketaufkommen riesig, seit jeder meint, seine H&M Hosen Online bestellen zu müssen. Kann man ja umsonst zurückschicken, wenns kneift. Aber ehrlich gesagt, wenn DHL das Paket gleich an einer festgelegten fußläufig zu erreichenden Station abgelegt hätte, dann wäre der Stress da ran zu kommen kleiner gewesen. Nannte man dann früher wohl Postfiliale. Naja, vielleicht übernimmt Flixbus ja bald DHL, dann klappt das bei uns auch mit dem Ausliefern.

Was noch geschah: Wir stellen fest, dass eine Berliner Familie angekommen ist. Auch ein Robert mit Frau und Sohn. Sie leben nicht nur um die Ecke von uns im Friedrichshain, sondern wir kennen auch seine beiden Bands: Il Civetto und Budzillus, denn Robert ist Musiker. Wir schließen sie sofort ins Herz, besonders den Kleinen. Ach, Berlin!

Er sagt, es gibt bald neue Songs und im April wird in Marokko geprobt. Ach nee, Marokko, was dagegen, wenn wir vorbei kommen? Nein, hat er nicht, er würde sich freuen. Scheint uns wirklich so zu sein. Wir auf jeden Fall haben die drei schnell ins Herz geschlossen und planen einen Boxenstopp in Marokko im Probenhaus ein. Vielleicht denkt Robert sogar daran, mir zwei Klarinettenblätter mitzubringen. Das wäre fantastisch!
Tag 32: 16.1.2020
Morgens um 10Uhr treffen wir das erste Mal auf Edith, die mittlerweile eine Freundin geworden ist. Was hat sie mit uns gelitten und an Lösungen gearbeitet. Sie grinst und sagt, dass es heute wohl was wird mit den Gelenkkreuzen. Just war persönlich am Abend vorher noch an der Busstation in Atar, aber da war der Bus noch nicht angekommen. Und als er es das zweite Mal versuchen wollte, war der Sprit alle.
Aber jetzt ist Iba, der Tageskoch, wie jeden Morgen in die Stadt auf den Markt gegangen und Just hat ihn gebeten, auch bei der Busstation vorbeizugehen um nach unserem Paket zu sehen.
Mittags kommt er dann verhalten grinsend auf den Hof, übergibt ein Paket an Edith und die kommt gleich zu uns herüber, mühsam ein lächeln unterdrückend mit dem Paket hinterm Rücken. Wir ahnen, nein, wir wissen, das sind sie nun, unsere Kreuze. Bei Iglhaut am 23.12. bestellt, am 16. Januar eingetroffen. Aber nach der langen Zeit, dem vielen Bitten und Betteln und Nachfragen, der Enttäuschung über die falschen agritek Kreuze, können wir uns heute irgendwie nicht mehr richtig freuen.




Was noch passierte: Aus allen Richtungen erhalte ich mittlerweile täglich Nachrichten von lieben Reisenden, Freunden und Familie, die wissen möchten, ob wir wieder fahren, ob die Kreuze da sind, wie es uns geht, wo wir sind. So weiß ich im Moment immer genau Bescheid, wer gerade wo ist und wie es allen geht.
Es ist wirklich kaum zu glauben, wie viele Personen am Ende in die Behebung dieser Panne involviert waren. Wie viele Geschichten, wie viele neue Bekanntschaften, vielleicht sogar Freundschaften wir geschlossen haben, das wird die Zeit zeigen. Was wir über Mauretanien und auch über Europa gelernt haben. Was wir über uns, unsere Art Probleme zu lösen und auch unsere Beziehung gelernt haben.
Tag 33: 17.1.2020
Heute ist der große Tag. Robert macht sich innerlich bereit dafür, das erste neue Gelenkkreuz einzubauen. Er bittet Just, den Schraubstock der Werkstatt gegenüber nutzen zu dürfen. Er legt sich alle Werkzeuge bereit. Wir haben die letzten Wochen mehrere Bedienungsanleitungen mit Bilddokumentation im Netz gefunden, die genau beschrieben, wie der Einbau geht und wo die Fallstricke liegen.
Viele andere Reisende haben uns ihre Geschichten dazu erzählt. Selber gemacht haben diese kleine OP bisher aber nur sehr wenige. Die, die es bereits gemacht haben, konnten weitere hilfreiche Tipps beisteuern. All dieses Wissen versucht nun Robert aufzurufen und umzusetzen. Und erst gelingt ihm das auch gut. Er schmiert das Kreuz gut und auch die Lagerschalen bekommen ihr Fett ab. Er presst mit der Nuss die erste, zweite und dritte Schale ein, ohne Probleme. Die vierte aber, die macht Ärger. Er kann sie einfach nicht ganz auf ihren Platz schieben, wo sie mit einem Sicherungsring nochmals fixiert werden soll. Und als er da so drückt, zeichnet sich auf dem Deckel der vierten Lagerschale ein Riss ab.
Eine Viertelstunde denkt er darüber nach, was nun zu tun ist. Dann kommt er zu dem Ergebnis, dass trotz seiner sorgfältigen Montage eine der winzigen, vielleicht 15mm großen und 1mm breiten Nadellagernadeln gekippt und durch die Montage unter die Kappe geschoben worden sein muss. Und jetzt ist da eben ein mm-großes Stück Metall unter dem Deckel des Lagers. Und deshalb lässt es sich nicht weiter hineinschieben. Folglich auch kein Aufsetzen des Sicherungsrings möglich.
Just, der auch ein guter Mechaniker ist, sagt, kein Problem, lass das so, wir setzen zwei Schweißpunkte, das geht dann. Aber nach 4 Wochen Wartezeit auf das blöde Teil, mit dem Argument, eine saubere Reparatur hinlegen zu wollen, damit wir beruhigt in den Dünen fahren können, winkt Robert ab. Er bittet Just, den lokalen Mechaniker anzurufen, damit er hilft. Der arbeitet als Moslem am Freitag Nachmittag natürlich nicht, kommt aber abends im blauen Draa, das ist der traditionelle Bubu der Mauretanier, kurz vorbei, schaut sich das Dilemma an und sagt, was er sagen muss: kein Problem, das bekommen wir hin. Er bestätigt auch Roberts Vermutung, dass eine Nadel des Lagers umgefallen ist.
Dramatische Szenen mal wieder zwischen DHL, dem fantastischen Herrn Reimann von agritek, der freundlichen Dame, die unser Kurier für die Traktorenkreuze nach Atar sein sollte und mir. Zwischen 8 und 10 Uhr sollte unser Paket bei ihr ankommen. Um 5 Uhr morgens wurde es an Bord des Lieferwagens der französischen Post verladen. Um 10:30h erhalte ich eine Nachricht von Colissimo, das ist das Partnerunternehmen von DHL in Frankreich, dass der Lieferant da war, das Paket aber nicht zustellen konnte, weil niemand da war. Was eine faustdicke Lüge ist, wie bereits letzte Woche. Denn die Dame hat ab 7 Uhr und bis weit in den Nachmittag hinein zuhause auf das Paket gewartet. Sie hat mehrfach in ihren Briefkasten geschaut, ob dort, wie von Colissimo versprochen, eine Nachricht liegt, wo sich das Paket jetzt befindet. Nichts. Sie hat den Weinhändler im Erdgeschoss mehrfach befragt, der als alternative Ablageadresse angegeben wurde. Nichts.
Eva informiert agritek. Der leitet die Sendungsnachverfolgung ein. DHL antwortet…..dass sie nicht nachvollziehen können, wo sich das Paket jetzt befindet, da ihr Partner Colissimo übernommen hat. In der Tat, seit 2 Tagen hatte ich die zweite Sendungsnummer von Colissimo. Und war ja auch alles chico mit Verladung in das Zustellfahrzeug. Nur hat der Fahrer halt nicht geklingelt. Ich schreibe also Colissimo an und weise darauf hin, dass die Terminzustellung eine Terminzustellung ist, weil sie nach dem Zustellungstermin für uns wertlos ist, weil sie eben weiter transportiert werden muss. Naja. Usw. Ich erhalte zwar eine Empfangsbestätigung zu meinem Text, aber keine Antwort. Das ist wohl schief gegangen.
Also heute Doppelpleite und dem entsprechend schlechte Laune.
Was noch geschah:
Um irgendetwas konstruktives an diesem Tag zu tun, kochen wir Abends gemeinsam nochmals Roberts selbst erfundenen Dromedargulasch aus Dromedarfleisch, Kartoffeln, Rote Beete, Karotten, Datteln, Honig, Chili, Knoblauch und Hibiskussaft. Yummie. Sehr lecker!
Tag 34: 18.1.2020
10:00h Robert und die Kardanwelle fahren mit Reiner, einem Besucher des Bab Sahara, zur Werkstatt von Sid Ahmed. Der schlägt das neue Kreuz wieder aus der Kardanwelle heraus. Tatsächlich war im vierten Lager eine der Nadeln des Nadellagers umgefallen und hat sich bei Roberts Montage in die Lagerschale verirrt. Afrikanisch, das heißt, wieder einmal mit viel Klopfen und Schlagen, und während fünf andere Arbeiten gleichzeitig verrichtet werden, klappt es dann schließlich. Das neue Kreuzgelenk ist verbaut und alle vier Sicherungsringe sitzen drauf. Als Robert nach 4 Stunden sichtlich erleichtert aus der Garage zurück kommt, sitzt Eva mit einem der Toyofahrer beim Tee und quatscht. Er ist auf dem Weg nach Süden und erkundigt sich nach unseren Erfahrungen. So vertreiben wir uns den Nachmittag mit Teetrinken und verschieben den Einbau der Kardanwelle auf den nächsten Tag. Jetzt haben wir es auch nicht mehr eilig. Haben wir von Mohammed gelernt.
Morgens kam dann auch eine Email von DHL, bzw. deren Partnerunternehmen Colissimo mit der Nachricht, dass unser Paket jetzt in Paris abgeholt werden kann. Na prima. Warum gibt man eigentlich eine Expresszustellung mit Zeitfenster auf? Sicher nicht, um dem Paket den ganzen Tag hinterher zu telefonieren und 24 Stunden später eine Abholstation irgendwo in Paris benannt zu bekommen. Abends sprechen wir noch kurz mit Kadi, ob er vielleicht noch einen weiteren Fluggast hat, der in Paris lebt und vielleicht in der kommenden Woche nach Atar kommt. Hat er aber im Moment nicht. So legen wir das Thema erstmal beiseite bis uns jemand einfällt, der in Paris lebt und das Paket im Namen der freundlichen Dame, die sich jetzt natürlich nicht mehr in Paris, sondern in Atar befindet, abholen kann. Am Ende lassen wir das Paket zurückgehen und bitten darum, es an meine Mutter zu schicken. Sollten wir diese Kreuze wirklich noch benötigen, dann hoffentlich nicht mehr in Afrika.
Was noch?
Heute hat der Betreiber vom Bab Sahara, Just, Geburtstag und wir essen alle zusammen. Wir beide sind sogar ausdrücklich eingeladen. Das empfinden wir als ausgesprochene Ehre und nehmen gerne an.
Tag 35:19.1.2020
Gerade liegt Robert unterm Igl und bringt die Kardanwelle wieder an. Wieder einmal dauert alles länger als gedacht, aber am Ende steht er fertig da, der Igl. Wow, was für ein Ritt.

Wir verzichten auf den Einbau der anderen Kreuze und beobachten lieber, wie sich die Lage weiter entwickelt. Immerhin könnten wir sie jetzt innerhalb von Stunden wechseln.
Tag 36: 20.1.2020
Die Reise kann weitergehen! Endlich! Und da kommt auch gerade rechtzeitig von einem mitfühlenden Reisenden ein Starkbier um die Ecke.

Wer bis hier mitgelesen hat, dem sei verraten, dass wir ab dem 21. Januar dann jede Wüstenpiste die wir finden konnten Düne rauf und Düne runter mit dem Igl gefahren sind. Und zwar sowas von problemlos und ohne Diskussion, dass nach mehreren 100 Kilometern Sand die Sandbleche noch immer unbenutzt am Igl hängen und eine kleine Blumenkastenschaufel ausreichte, um die drei beinahe mutwillig angerichteten Festfahrungen zu beheben. Und das auch nur, weil wir jeweils einen exklusiven Stellplatz mitten im Dünenfeld gewählt hatten. Alles in Ordnung also mit dem Iglhaut. Er kann sogar weit mehr als wir hofften. Wir hatten einfach Pech an unserem Testtag. Mehr dazu im Wüstenkapitel über den 3. Monat in Mauretanien, das als nächstes folgt.

Puuh, endlich!
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Endlich 2. Teil oder endlich weitergekommen?
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Boah, Alteeer! Von Zen keine Spur! Schon das Lesen war nervenaufreibend.. Und ihr seid trotzdem nicht zu Kettenrauchern geworden?
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Zu Kettenrauchern nicht, aber zu Saftbrauern….
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