Durch die Casamanche I

Über die Grenze bis zum Casamanche Fluß

4.9. – 25.9.2019

Nachdem wir eine filmreife Schlammabfahrt über eine 30 Kilometer lange steile Piste durch den Wald aus dem Fouta Djalon Gebirge in Guinea zurückgelegt haben, rollen wir ganz entspannt über die Grenze Guinea-Senegal und erreichen den Osten der grünen Casamanche, dem grünen Teil des Senegals, der südlich von Gambia liegt.

Wie schon öfter erlebt bei den abseits der großen Zentren liegenden Grenzübergänge heißt der Übergang zwar Koundara Califourou, aber beide Orte liegen ca. 30km vom eigentlichen Grenzposten in Bhoundoufourdou entfernt (Spezialinfo nur für Dich, Papa Kiltz). Wir waren natürlich gespannt, was bei Einreise nach Senegal passiert. Als wir von Mauretanien aus die Grenze passieren wollten haben wir 29 Stunden am Zoll verbracht und mussten viel Geld für ein 7 Tages Passavant bezahlen. Wir übernachten nochmals unmittelbar vor der Grenze um dann so früh wie möglich zu queren und den Zollbeamten ausgeruht zu begegnen. So ein Grenzübertritt in Afrika kann ja auch ohne korrupte Beamte schon Mal was länger dauern. Unser bisheriger Schnelligkeitsrekord war Senegal – Guinea Bissau mit etwas über einer Stunde. Soweit die Phantasie.


Was tatsächlich passierte: nichts. Die freundlichen Guineer lassen uns im Niemandsland hinter der Polizeikontrolle übernachten, über die senegalesische Grenze rollen wir unkontrolliert. Zwar queren wir ein großes Areal mit neuen Bauten, die laut aufgestellten Schildern die guineisch-senegalesische Freundschaft repräsentieren sollen und sicherlich einmal als Abfertigungsstelle geplant waren. Aber außer leeren Gebäuden, überwucherten Parkplätzen und einem langsam herbeischlurfenden Wächter gibt es hier nichts für uns zu tun. Das wird wohl auch für zukünftige Grenzüberschreiter so bleiben ahnen wir. Der Wächter informiert uns darüber, dass die Pass- und Zollkontrolle in Califourou, etwa 30 Kilometer entfernt, stattfindet. Und so fahren wir diesmal munter ohne Einreisedokumente ins Land hinein – um dann durchgeschwitzt und schon wieder hungrig gerade noch rechtzeitig vor dem Mittagessen und obligatorisch darauf folgenden Mittagsgebet dort anzukommen. Pustekuchen mit früh losfahren und ausgeruht ankommen.


Im Schritttempo klappern wir die einzelnen Stationen ab. Erst Hände desinfizieren an der Medizinstation, wegen Gelbfieberrisiko. 20 Meter Fahren. Wagen abstellen. Hund raus. Alles abschließen. Polizei. Dauert 5 Minuten, keine Probleme. Wieder zurück. Hund rein. Wagen anlassen. 20 Meter fahren. Abstellen. Hund raus. Abschließen. Zoll. Chaos in der Zollstation. Überforderung des leitenden Beamten. Kurz vor Mittag. Zwei ausländische Wagen. Beide ohne Carnet des Passage. Bedeutet zweimal Passavant ausstellen. Handschriftlich. Namen abschreiben. Kennzeichen abschreiben. Marke des Wagens. Fahrzeugidentnummer. Einreisedatum. Versicherung kontrollieren. Nummer aufschreiben. Genehmigte Aufenthaltszeit ausrechnen. Eintragen. Wo sind die richtigen Dokumente? Handy klingelt. Andere Reisende wollen abgefertigt werden. Danach ist alles wieder durcheinander. Wer ist jetzt wer? Welcher Wagen gehört zu wem? Stress. Nachdem wir die Dokumente dem Beamten fünfmal in der richtigen Ordnung vor die Nase gelegt haben, diktieren wir dem nun sichtlich unruhigen Mann die Daten schließlich ins Papier. Bekommen dann aber auch jeder 10 Tage Aufenthalt und die Möglichkeit zu verlängern. Super. Dass es am Ende so gut läuft hätten wir nicht gedacht. 11:55. Grenze abgehakt. Auto aufschließen, Hund rein und los. 20 Meter. Stoppschild. Polizeikontrolle. Auto abstellen. Hund raus. Alles abschließen. Zum Beamten unterm Strohdach. Ob auch alle Stempel da sind. Klar sind sie. Dann bitte dem leitenden Beamten vorführen. Alles klar. Der winkt schon von Weitem ab. Mittag. Ihr könnt gehen. Ok. Fini? Frage ich. Oui, fini. OK, merci. 12:05h. Aufschließen, Hund rein. Wagen starten, weg hier. Grenzrekord. 35 Minuten.

20 Kilometer weiter schlagen wir uns in die Büsche. Wir halten unter einem großen Mangobaum um mit ein paar Käsebroten die gute Nachricht zu feiern. 10 Tage ist mehr als wir erwartet haben, erwarten konnten. Bedeutet, dass wir ein wenig durch die Casamanche trödeln können. Kaum halten wir die Käsebrote in den Händen sind wir auch schon von den Bewohnern des nächsten Dorfes entdeckt worden. Erst stehen nur drei oder vier junge Frauen um uns herum und staunen, dann werden es mehr und mehr, bis schließlich eine Traube von knapp 20 Personen auf Armlänge herangekommen ist. Sie beginnen ein Gespräch, das allerdings sehr einseitig ist, weil wir erstens gerade die Backen voll Käsebrot haben, deshalb zweitens nicht besonders gesprächig sind und drittens die Stammessprachen Fula und Wolof nicht beherrschen. Nur so viel verstehen wir: alle wollen mit nach Europa, wenn nicht selber, dann sollen wir wenigstens die zwei kleinen Mädchen mitnehmen. Und Geschenke und Geld dalassen. Eine Weile lang nehmen wir die angetragenen Wünsche hin und versuchen, die Backen leer zu bekommen. Dann werden die Bitten dringlicher und schließlich geben wir auf. Natürlich werden wir keine zwei Mädchen mitnehmen, auch keine Geldgeschenke dalassen und auch definitiv keine Bonbons oder Zigarettenpackungen verteilen. Einen Container Fußbälle haben wir auch nicht zufällig dabei. Welche heißgeduschten Vollpfosten bloß mit diesem entwürdigenden Schauspiel begonnen haben möchte ich wirklich wissen. Was hat der sich gedacht? Dass er mit ein paar Kamellen sein schlechtes Gewissen beruhigen kann? Als weißer Gönner dasteht? Oder einfach die Bande loswird?


Wir packen schnell zusammen und nehmen wieder Fahrt auf. Weit fahren wir nicht mehr. Bei nächster Gelegenheit wählen wir eine der ehemaligen chinesischen Baugruben als Nachtplatz en route. Leider hat der Nationalpark Niokolo Koba während der Regenzeit geschlossen, so dass wir bereits am nächsten Tag nach Westen aufbrechen, um in 10 Tagen in der Hauptstadt der Casamanche, Ziguinchor, den Passavant zu verlängern und dann bei Cap Skirring endlich wieder ins Meer zu springen. Eigentlich müssen wir dafür immer nur der Hauptstraße nach Westen folgen, aber so sieht man ja nichts. Immer wieder verlassen wir die – übrigens fantastische – Asphaltstraße und fahren über – ebenfalls fantastische – Pisten ins Inland, um dort eine oder zwei Nächte zu bleiben. Aber so richtig will uns das Bleiben nicht gelingen. Einmal landen wir auf dem Weg zu einem See nach 20 Kilometern Piste und 5 Dorfdurchquerungen mitten in einem weitläufigen Landwirtschaftsprojekt und schließlich in einer Sackgasse – einem Feuchtgebiet. Auf dem Rückweg begegnen uns mehrere mit rotbraunen Kokosfransen als Gespenster verkleidete Männer, die vom Johlen, schreien u d Lachen der Kinder Frauen und Männer durch die Dorfstraßen wandern. Wer einen Wunsch hat oder sich Glück für ein Vorhaben wünscht, gibt Geld an einen der Begleiter der Ungeheuer. So verstehe ich die Männer jedenfalls. Da wir nicht abergläubisch sind lassen wir die Ungeheuer vorbeiziehen ohne zu bezahlen.


In Kolda besorgen wir Proviant und neues Internet. Dann versuchen wir an den Casamanchefluss heranzukommen, um dort zu übernachten. In Tanaff biegen wir rechts ab in der Absicht, einige Nächte am Fluss zu verbringen und dann mit der Fähre nach Sediou übersetzen zu können. Nach mehreren Versuchen, an das Ufer zu gelangen, die im dichten Gestrüpp enden, geben wir dieses Vorhaben schließlich am ersten von zwei Fährpunkten auf, als uns klar wird, dass unser Reisebegleiter Emmanuel im Magirus LKW zwar diese erste Überfahrt vielleicht noch wird mitmachen können, die zweite aber im Ungewissen bleibt. Da uns niemand eindeutig beantworten kann ob auch die zweite Fähre den 7,5 Tonner, der vermutlich eher 9 Tonnen wiegt, mitnehmen kann und wir keine 50 Kilometer Piste im Überschwemmungsgebiet umsonst fahren möchten, zudem der LKW einen schleichenden Platten hat, der repariert werden muss, drehen wir schließlich um. Da die Anlegestelle der einzige Ort am Wasser ist, an dem wir halten konnten, fragen wir, ob wir direkt dort über Nacht bleiben können. Können wir. Kein traumhafter Stellplatz, aber dennoch attraktiv genug, um ein paar schöne Sonnenuntergangsfotos hinzubekommen. Auch einen Wasserhahn gibt es, so dass wir ein bisschen Wasser auffüllen können und in der Dämmerung kommen dann auch drei Fischer mit ihrem Fang an, der leider aus sehr vielen sehr kleinen Fischen besteht, so dass wir ein mühseliges, aber sehr leckeres kleines Fischgericht für Abends haben.