Durch die Casamanche II

Über Ziguinchor nach Cap Skirring ans Meer

Zurück auf der Nationalstraße beschließen wir, auf dem schnellsten Weg ans Meer zu fahren. Die Straße gibt’s her. Wir drücken aufs Gas, decken uns in Ziguinchor mit allen möglichen Leckereien ein – Joghurt, Käse, Butter, Karotten, Tomaten, frisches Brot , so ändern sich die Maßstäbe 😉 – und erreichen gegen 16:00 Cap Skirring, die Touristenhochburg im Süden des Senegals. Ein bisschen Angst hatten wir schon vor dem Massentourismus. Aber als wir dann ankommen ist alles halb so schlimm. Wir lassen uns überreden im Innenhof der kleinen Lodge „Auberge de la Paix“ zu campieren, von der aus eine steile Treppe direkt an den Strand führt und genießen die Dusche und überhaupt das fließende Wasser vor Ort, den schön angelegten Innenhof und die Kühle unter dem riesigen Baum unter dem der Igl steht.

Die Auberge gehört einem Brüderpaar, das nicht unterschiedlicher sein könnte. Ihre Geschichte erinnert uns an Frau Holle. Gold- und Pechmarie. Oder an Aschenbrödel. Der eine ist stinkfaul, sein Leben lang in Skirring gewesen, hat nichts gelernt, trauert seiner verpassten Fußballerkarriere hinterher, rührt den ganzen Tag keinen Finger, kommandiert seine Angestellte herum und ist beim Kassieren ganz schnell dabei. Besucht aber regelmäßig die Moschee. Der andere ist nach Österreich gegangen, hat dort Hotelfachmann gelernt. Im Hilton gearbeitet. Kam zurück. Hat die Auberge aufgebaut. Organisiert alles. Wäscht selber. Räumt jeden Tag auf. Kümmert sich um die Pflanzen und Tiere. Betreibt ein kleines Restaurant. Und spielt die Kes Kes, vier mit Sand gefüllte getrocknete winzige Kürbisse, davon je zwei aneinandergebunden, mit denen er fantastische Percussion macht. In der Saison macht er mit seinen Freunden in der Auberge oft Musik. Er liebt die Kes Kes, weil er überall sofort mitspielen kann und immer passt es, sagt Omar, wie der Kes Kes wirklich heißt und zündet sich einen kleinen Joint an.
Leider wird er Cap Skirring nach dieser Saison wieder verlassen müssen. Warum, fragen wir. Weil sein Bruder ihm das Leben schwer macht. Das Grundstück, auf dem die Auberge steht, gehörte ihren Eltern. Er ist der älteste Sohn. Als die Eltern starben haben sie den Grund den Söhnen vermacht mit dem Wunsch verbunden, die Auberge aufzubauen. Der Kes Kes ist deshalb von Österreich zurück in den Senegal gezogen und hat alles hergerichtet.

Als das Geschäft anfing zu laufen, tauchte sein Bruder auf und forderte Beteiligung. Der Kes Kes hat ihn mit ins Geschäft genommen, aber der Bruder wollte ihn nicht als Chef haben. Und so gab es ständig Streit. Bis die Brüder beschlossen haben, sich die Vermietung aufzuteilen. Seitdem bewirtschaftet der eine Bruder die linke Hälfte des Geländes, der andere die rechte. Und was sollten wir sagen, so sieht es auch aus. Links ein verlassenes vernachlässigtes Restaurant, mit fantastischem Sonnenuntergangsblick auf den Strand. Aber ohne Tische, Stühle, keine Bewirtschaftung. Dazu 5 Zimmer mit durchgelegenen muffigen Matratzen, kaputte Mosquitonetze, ungewaschene Bettwäsche. Rechts farbenfroh bemalte Wände, täglich frisch gewaschene Laken, im Eingangsbereich eine blitzsaubere kleine Küche, ein winziges Restaurant zur Straße hin. Eine gemütliche Feuerstelle, ein Brotbackofen, eine Terrasse. Dazu schön gewachsene reich tragende Bäume: Limetten, Papaya, Passionsfrucht, Avocado, Mango. Abends Besuch von Freunden und fangfrischer Fisch vom lokalen Fischer persönlich vorbeigebracht.


Und trotzdem wird es der Kes Kes sein, der seinem Bruder den Platz überlässt. Nach Europa geht, Geld verdient, um dann wenige Kilometer nördlich, in Djembereng, auf einem kaum erschlossenen Grundstück, das ebenfalls vererbt wurde, noch einmal von vorne anzufangen. Während er die Geschichte erzählt, ist er zwar traurig, aber er macht niemandem einen Vorwurf. Zündet sich erneut einen kleinen Joint an, zuckt die Schultern und sagt auf Deutsch mit österreichischem Akzent: so ist das Leben.


Als Thio das erste Mal an den Strand kommt rastet er aus vor Freude und auch Emmanuels Begleithund, Milu, freut sich über den Strand, das Meer, den schönen Platz. Die beiden übernehmen den Platz im Nu und verjagen im Doppelpack das Strandrudel. Der riesige Ridgeback Milu vorweg, Prinz Thio in Gewinnerpose hinterher.

Wir laufen jeden Tag mehrere Kilometer am Strand entlang. Auf der einen Seite bis in die übernächste Bucht, wo zurückhaltend das von Europäern geführte Miramar Ressort für die Pauschalurlauber liegt. Ehrlich gesagt gar keine schlechte Anlage und ein fantastischer einsamer Strand. All inclusive ist halt trotzdem nicht so unseres. Auf der anderen Seite laufen wir gefühlt ewig immer vorbei an kleinen Strandbars aus handbehauenen Palmstützen, gedeckt mit Palmwedeln, geschmückt mit Treibgut und Muscheln.

Wir sind nach wie vor in muslimischem Gebiet. Die meisten Bars sind deshalb alkoholfreie Saft Bars und bieten zusätzlich wechselnde Abendessen an. Meist Reis mit fangfrischem Fisch oder mit Bohnenmus. Manche Bars bieten auch Alkohol an, andere Massagen. Hier und da ertönt Reggae und in der Luft hängt der süßliche Geruch von Ganja. Wahrscheinlich ist es hier zur Saison tatsächlich voll. Jetzt aber flanieren vielleicht drei oder vier Touristen am Strand, in den Bars wird noch renoviert, gezimmert, gestrichen, die Dächer erneuert, der Müll entsorgt (auf Senegalesisch: alles zusammenharken, Loch in den Sand graben, Müll rein, Zudecken, drüber harken, fertig…).. Alles in Allem haben wir eher den Eindruck in einem verschlafenen Ort zu sein, in dem die Zeit mit westafrikanischer Langsamkeit vergeht. Nicht in einem trubeligen Touristenort.


Auf der Suche nach Brot entdecken wir dann die kulinarische Seite Cap Skirrings. Vor dem Gemischtwarenhändler mit europäischen Produkten zu Tankstellenpreisen gibt es einen Obst und Gemüsestand mit Zucchinis, Tomaten, Avocados und Auberginen. Lecker, nehmen wir! Aua, ist teuer. Direkt neben dem Stand verpackt ein Krabbenfischer seinen Fang in Beutel. Weil er keine eigene Waage hat, darf er die des Gemüsehändlers mitbenutzen. Gut für uns, denn so sehen wir seinen Fang: eine riesige Styroporbox bis oben hin voll mit Riesengarnelen. Die Gelegenheit lassen wir nicht vorüberziehen. 3 Personen? Wir nehmen 1 Kilo. Ach nein, lieber gleich 2. Die Garnelen sind günstiger als ein Kilo Tomaten. Abends essen wir zu Dritt Garnelen bis zum Eiweißschock und fühlen uns wie die Könige. Lecker!