5. bis 13. Februar 2020
Am Rand des Erg Maqteir zurück nach Atar, von da nach Choum und endlich auf die Eisenerzpiste
Nach dem steinigen Ausstieg aus dem Guelb Er Richat folgten ernüchternde 40 Kilometer Steinpiste. Zu steinig, um mehr als 10 km/h zu fahren, zu gut erschlossen, um sich nicht über das Gewackel und Gehopse zu ärgern. Robert fährt. Robert flucht. Ich mag den Wagen. Alles beim Alten also. Kurz bevor wir von dem Plateau in das Nomadendorf El Beyyed abfahren, um uns dann über 350Kilometer südlich des Erg Maqteir entlang durch weitgehend unbewohntes Gebiet bis zurück nach Atar durchzuschlagen, halte ich das Fluchen nicht mehr aus. Bitte Robert anzuhalten, damit wir einen Schlafplatz suchen können. Er raunzt mich an, hier gibts doch nichts außer Steinen, Steinen und nochmal Steinen, wo sollen wir hier einen Platz finden?
Aber ich habe die Karte studiert und weiß, nur wenige hundert Meter von dem Platz wo wir stehen, ist eine Abrisskante, von der aus wir sehr wahrscheinlich einen schönen Blick ins Tal haben oder was auch immer dort unten liegen mag. Robert weigert sich auch nur einen Kilometer umsonst in die unwegsame Steinwüste hineinzufahren. Also laufen wir. Und siehe da, nach 15 Minuten erschließt sich uns ein wahrhaft traumhafter Blick.
Ich lasse Robert mit Thio verschnaufen und die Aussicht genießen, hole den Wagen und will ihn mit Blick ins Tal für die Nacht abstellen. Allein, das ist manchmal gar nicht so einfach, wenn man Nachts nicht gerne durchs Bett rollen möchte. Ich manövriere hin und her, der Wagen steht schief. Irgendwann holt Robert Steine, auf die wir den Igl auffahren. Dann mehr Steine. Und noch mehr Steine. Bis er gerade steht. Hineinkommen ist jetzt nicht mehr so einfach wie sonst, der Einstieg liegt um einiges höher, aber wir schlafen fantastisch.
Am nächsten Tag hangeln wir, also ich heute, uns dann die schmale Steintrasse herunter bis ins Nomadendorf El Beyyed. Dort wollten wir eigentlich neues Brot kaufen, aber ausser zwei großen Nomadenzelten und einer Moschee ist kein Gebäude zu sehen und so beschließen wir, ohne Brot weiterzufahren. Wir haben schließlich noch einige Kilometer vor uns, bis wir um den 8. Februar herum nochmal eine Nacht in Atar Halt machen wollen, um Vorräte aufzufüllen und dann endlich die langersehnte Eisenerzpiste gen Marokkanische Grenze zu fahren.
Was folgt, ist eine endlose Aneinanderreihung von ebenen Landschaften, durch die mal gut, mal weniger gut, mal gar nicht zu sehen eine Piste führt. Sandige Strecken wechseln sich ab mit buckligen Äckern, mal sieht man den nächsten Wegweiser über mehrere Kilometer hinweg, so leer und flach ist das Land, mal sind die Seiten mit grünen Büschen oder diesen eigenartigen großblättrigen Wüstenpflanzen besetzt, die uns immer wieder begegnet sind. Gegen Ende streifen wir dann noch eine Salzwüste. Menschen sehen wir in den kommenden zwei Tagen gar nicht, so dass wir dann tatsächlich auf offener Strecke anhalten, als sich uns aus der anderen Richtung ein Toyota mit deutschem Nummernschild nähert, um Hallo zu sagen und weil wir uns freuen, jemanden in dieser Einöde zu treffen. Ehrlich gesagt, hätten wir uns diese Strecke spannender vorgestellt und hatten deshalb vier Tage eingeplant. Aber der böige Wüstenwind verhindert, dass wir allzuoft aussteigen und die Fahrt kommt uns nach den spektakulären letzten Tagen auch eher eintönig vor. Also geben wir Gas und halten auf Atar zu.
Über Nacht bleiben wir in der Nähe der Piste. Ist ja sowieso außer uns keiner hier. Und diesmal stimmt das auch. Wir suchen Schutz neben dem einzigen größeren Strauch seit 50 Kilometern. Aber viel hilft das nicht, als gegen Spätnachmittag ein Wüstensturm heraufzieht, der vom einen auf den anderen Moment die ganze Welt in dichten Staub hüllt. Wir kommen uns wie unter einer dieser Schneekugeln aus Plexiglas vor, die man schüttelt und dann schneit es darin. Nur dass es sich hier um Staubsand handelt, der in alle Ritzen kriecht und uns schier den Atem verschlägt. Später am Abend legt sich der Wind etwas und wir wetteifern darum, das authentischste Wüsten Sonnenuntergangsfoto zu machen. Ich denke ich habe gewonnen. Ihr wisst ja, wer schreibt hat recht 😉

Die zweite Nacht verbringen wir nur 30 Kilometer vor Atar. Wir wissen, dass wir den Weg fast geschafft haben und lassen die Sache deshalb entspannt angehen. Robert lenkt den Igl an den Rand eines kleinen Dünenfelds, damit wir ein wenig windgeschützter stehen als in der Nacht zuvor und beschließt, dass er trotzdem auf der kleinen Düne oben drauf stehen möchte. Schwupp, steckt der Igl bis zum Diff im Sand. Nicht schlimm. Es reicht – wie immer – unsere kleine blau-orangene Blumenkastenschaufel, um ihn wieder auszubuddeln. Wozu wir allerdings vier Sandbleche, einen Spaten und zwei Armeeschaufeln mitführen ist uns mittlerweile völlig unklar.

Die letzten Kilometer könnten wir einfach weiter über die Ebene bis zur Teerstraße nach Atar fahren. Aber bevor wir mit dem Igl in Atar liegengeblieben waren, hatte ich mir eine Strecke durch ein Tal ausgesucht, die ich gerne noch gefahren wäre. Dieses Tal erreichen wir jetzt quasi von hinten oder um präziser sein, wir fahren nördlich daran vorbei, statt von Süden. Und so ist es uns dann auch möglich, von der Ebene in das Tal hineinzusehen, ohne ausprobieren zu müssen, ob der Igl durch die schmalen engen Streckenabschnitte des Amogjar Gebirges hindurch passt oder nicht, der wie unsere Freunde Daniel und Birte zu berichten wussten, mit dem Landrover so gerade eben zu schaffen war.
Ein wunderschönes Tal gerahmt von mehreren Tafelbergen breitet sich da vor unseren Augen aus und kurz juckt es uns in den Fingern, noch eine Nacht hierzubleiben und uns doch an der Passstraße zu versuchen. Aber es lockt die Eisenerzpiste zu sehr und so laufen wir in das weitläufige Tal zwar hinein, fahren aber abends querfeldein und nur nach Kompass dann doch weiter bis Atar – wo wir leider unsere Freundin Edith nicht noch einmal treffen. Sie ist bereits unterwegs in die Niederlande. Wie schade!
Wir füllen also ein letztes Mal in Atar unsere Vorräte auf und dann endlich geht es los nach Choum, wo der Einstieg in die über 400 km lange Piste liegt, die über die gesamte Strecke hinweg nah an der Strecke der Zuglinie liegt, welche das Erzbergwerk im Norden Mauretaniens mit der Hafenstadt Nouadhibou verbindet. Also werden wir trotz der vielen Kilometer durch die einsame Gegend immer eine gute Orientierung haben. Das ist gut so, denn die Strecke verläuft nur wenige Kilometer südlich der Grenze zu Westsahara bzw. die ersten 150km südlich des Gebiets der Demokratischen Republik der Sahraouis.
Hier Osmand. Die gelben Punkte sind unsere Übernachtungsorte Und hier der gleiche Kartenausschnitt von Google Satellit
Auf unserer OSM Karte Osmand ist die Piste ebenso gut zu erkennen wie die Bahnstrecke. Leider passte nicht die ganze Strecke auf den Screenshot, so dass man hier die Piste südlich der Bahnstrecke nicht sehen kann. Aber die Bahnstrecke dafür. Im Vergleich dazu ein Screenshot von Google Satellit. In der normalen Kartenansicht bei Google sieht man gar nicht, dass hier eine befahrbare Piste oder Bahnlinie sein könnte. Vielleicht nicht ganz unabsichtlich? Ist doch das Eisenerz eine der wichtigsten Einkommensquellen Mauretaniens und die Bahnstrecke damit eine der wichtigsten Infrastrukturen des Landes.
Also auf nach Choum. Etwa 100km fahren wir zwischen Tafelbergen und farblich wechselnden Steinsandwüstenbschnitten hindurch über eine gute Asphaltsraße gen Norden bis wir das kleine Städtchen Choum erreichen.
Angeblich gibt es bereits hier Diesel nur noch aus Kanistern, danach nur noch sporadisch in den zwei kleinen Siedlungen auf der Route. Deshalb haben wir noch in Atar alle Dieselkanister und beide Tanks voll gemacht. Denn sollten wir viel Tiefsand fahren müssen und zusätzlich Gegenwind haben, wie unsere Freunde von insnirgendwo.de im letzten Jahr, könnten wir für die Strecke im schlimmsten Fall 35 bis 40 Liter auf 100km verbrauchen, haben wir uns ausgerechnet. Maximal haben wir 210Liter Kapazität, was bei 40 Litern knapp über 500km wären. Bei 430km Pistenstrecke und daran anschließend noch etwa 50km bis zur Grenze könnte das sogar knapp werden.
Stadteinfahrt Choum Hier muss die Piste losgehen Nicht viel los hier 1A Tankstelle
Darum sind wir froh, dass mal wieder alle, die Bescheid wussten, dass es in Choum keine Tankstelle gibt, falsch lagen und wir insgesamt drei „Tankstellen“ vorfanden, davon eine offen. Fanden wir gut, denn auf 100km hatten wir ja schon wieder 15 Liter verbraucht. Und so bitten wir den Tankwart, nicht nur unseren normalen Tank wieder zu befüllen, sondern auch noch einen leeren 5 Liter Ölkanister und noch einmal in den Ersatztank zu schauen, ob er da noch etwas herinbringt. Bringt er und so haben wir jetzt noch einen Puffer für den Puffer.
Von hier aus finden wir den Einstieg in die Piste schnell, und freuen uns, heute nur noch etwa 60 Kilometer fahren zu müssen bis zu den beiden Monolithen Ben Amira und Ben Aischa, die uns von mehreren Leuten empfohlen worden sind. Ich fahre, Robert navigiert. Anders als ich navigiert Robert mehr nach Augenmaß, die digitale Karte nutzt er nur ab und an zur Korrektur der Richtung. Denn schließlich, und da hat er völlig recht, ist unsere Strecke ja gen Norden ganz klar durch die Gleise begrenzt. Und wenn wir ein bisschen nach Süden abtreiben werden wir unsere Route schon wieder finden. Wo anders als nach Westen in Richtung Nouadhibou soll es hier schon hingehen? Also werden die Pisten sich früher oder später wieder treffen. Denkt er. Denke ich auch.
Und so kümmern wir uns nicht darum, dass wir bald etwas südlich von der Bahnlinie abtreiben, dann etwas mehr und noch etwas und dann in ein Dünenfeld hineinfahren, den Ben Amira immer schon im Blick. Als dann mitten in den Dünen die Spur, an der wir uns bisher orientiert haben, abreisst und ich querfeldein weiterfahre und schließlich Robert ein ums andere Mal aussteigt, um zu testen, ob der Sand trägt und auszukundschaften was hinter der nächsten Düne liegt, beschließen wir, dass es für heute keinen Sinn mehr macht weiterzufahren. Also stellen wir den Igl auf eine der Dünen und richten uns für die Nacht ein. Ein wunderschöner Platz!
So gings los Ben Amira schon zu sehen Verloren gegangen Macht nix, bleiben wir halt hier
Kurz nach Sonnenuntergang hören wir lautes Dröhnen und sehen ein Licht von links nach rechts am Horizont entlangfahren. Erst denken wir ohweh, schon wieder Besuch mitten in der Wüste. Dann begreifen wir: das ist der Zug aus Nouadhibou.
Am nächsten Morgen brauchen wir fast 2 Stunden, um aus dem Dünenfeld herauszukommen. Wir fahren nach Sicht. Heute ist Robert dran. Ich laufe die meiste Zeit, um den Sand zu testen und eine gute Linie zu finden. Manchmal haben wir Glück und finden einen guten Durchschlupf zwischen zwei Dünen ohne sie ganz abreiten müssen, manchmal muss der Igl auch leiden, weil Robert wegen einer Steigung Gas geben muss und auf zwischen Dünental und Dünenkamm liegende Bodenwellen keine Rücksicht nehmen kann. Das rumpelt ganz schön! Aber schließlich haben wir es geschafft und sind plötzlich wieder auf der ganz normalen völlig unspektakulären Piste südlich der Bahntrasse zurück.
Kaum haben wir Luft auf die Reifen gegeben und unseren Weg wieder aufgenommen kommt auch schon der Vormittagszug gefahren und was für ein Glück wir haben: beide Wahrzeichen dieser Strecke zufällig auf ein Foto bekommen zu haben. Schaut selbst!
Wenig später kreuzen wir die Schienen und fahren dann erst den Ben Amira an und schließlich seine „kleine Schwester“ den Ben Aischa. Dort bleiben wir über Nacht. Das ist schon faszinierend. Da reisen tausende Touristen nach Australien um den Ayers Rock zu sehen und hier mitten in der Wüste, umgeben fast ausschliesslich von weitem flachem Land, interessiert sich kaum jemand dafür. Dabei sind die beiden Monolithen nach dem Ayers Rock angeblich die größten ihrer Art auf der Erde. Wir sind auf jeden Fall ordentlich beeindruckt. Um eine Idee von der Größe zu geben: Einmal um die kleine Ben Aisha herumwandern dauert etwa 45 Minuten.
Wir sind beeindruckt Und bleiben. Igl Suchbild
Uns gefällt es gut hier und wir haben mal wieder Zeit mitgebracht. Also bleiben wir drei Nächte, erleben eine traumhaften Sonnenuntergang und einen ebenso fantastischen Vollmond. Die Ruhe ist hier beinahe schon beängstigend. Wir fühlen uns, als seien wir am Ende der erschlossenen Welt.
Die weitere Strecke finden wir dann enttäuschend unspektakulär. Es folgen viele Tiefsandfelder, durch die der Igl sich eher wühlt als fährt, aber niemals stecken bleibt. Dazwischen gibt es auch viele lange eher öde Steinstrecken. Das lustigste ist eigentlich, dass wir bei dem Versuch, eine Spur mit möglichst wenig Wellblech zu finden, immer wieder die richtige Piste verlieren und dann teils querfeldein zurück auf eine weiter an der Bahntrasse liegende Spur zurückmanövrieren. Obwohl man auf der Karte kaum sieht, dass wir von der Strecke abweichen, kann es passieren, dass wir schon wenige hundert Meter weiter mitten im Sand stehen und wir uns fragen, wo nur die schöne Piste von gerade eben wieder hin ist. Nur einmal kommen uns fünf hochgerüstete Polen mit nagelneuen Geländewagen und GoPros und Edelsandblechen und jeder Menge Rallyeaufkleber auf dem Wagen entgegen. Anonsten sehen wir nur wenige Menschen und die auch nur in den beiden Dörfern, die wir queren. Die Bahnstrecke scheint sich im Dauerrenovierungszustand zu befinden. Alle paar Kilometer sehen wir meist menschenleere Bauarbeitersiedlungen, Schienenpakete und stapelweise Schwellen. Die gebrauchten Schwellen werden wohl einfach vor Ort entsorgt. So jedenfalls würde sich erklären, dass am Rande der Strecke alle möglichen Dinge aus alten Schwellen gebaut sind: die Unterkünfte der Bauarbeiter, Sonnenschutz fürs Vieh und Geschäfte.
Wenig spektakulär geht die Route immer weiter an der Bahnstrecke entlang. Ja, es gibt Abschnitte, für die man zwingend einen 4×4 bestenfalls mit Untersetzung braucht, einfach weil der Sand tief ist und die Tiefsandstrecken lang. Aber besondere Schwierigkeiten haben wir nicht gefunden. Leider bietet die Strecke neben dem Zug, den man viermal am Tag vorbeifahren kann nicht viel aufregendes, so dass wir mal wieder Gas geben, so gut es der Untergrund zulässt, und durchfahren. Kurz bevor wir wieder auf die Teerstraße kommen machen wir nochmal einen Stopp für zwei Nächte, um die Zeit in Mauretanien bis zum Ende auszureizen und auch, weil wir wieder einen schönen Platz gefunden haben und nicht an der Grenze übernachten möchten. Dort sehen wir auch die erste lebendige Schlange in der Wüste, vermutlich eine kleine Viper, und haben durchaus ein wenig Respekt vor ihr. Wir machen unser letztes Feuer in Mauretanien und wissen jetzt schon: wir kommen wieder, es gibt noch viel zu sehen in diesem wunderbaren einsamen und ruhigen Land.
Ich habe mir für die Pisten in Russland ebenfalls den BF Goodrich aufziehen lassen… Wie hat sich der Reifen bei euch bewährt? Hattet ihr Plattfüße?
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Die haben sich sehr bewährt und kann ich wärmstens weiterempfehlen. Kein Platter obwohl wir sie ganz schön geschunden haben, schon alleine mit dem Gewicht des Wagens auf den unendlichen regenunterspülten Pisten. Einzig dass es sie heute nicht mehr in der Lastklasse gibt die wir noch drauf haben macht mich bisschen argwöhnisch ob sie heutzutage immer noch so unkaputtbar wären. Wir hatten 120/123 Lastklasse. Unsere nagelneuen und ungebrauchten Ersatzreifen gab es dann nur noch mit 116/119. Mittlerweile sieht man ihnen allerdings das viele Sandfahren mit wenig Luftdruck schon etwas an. Da reißen seitlich die Stollen ein. Irgendwsnn wird dann wohl doch mal einer platt sein. Aber die sind auch 8 Jahre alt und haben jetzt vmtl um die 100.000km hinter sich davon rund die Hälfte nicht auf Asphalt gefahren.
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